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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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da sein Freund sich hätte eingestehen sollen, daß er arm war, hatte an die finanzielle Lage des Freundes offenbar keinen Gedanken verschwendet; im Gegenteil, er hatte ihn zu Ausgaben angestachelt und gedrängt, die nur zum Ruin führen konnten. Und im Ruin waren die Smiths denn auch geendet.
    Der Mann war so rechtzeitig gestorben, daß ihm das volle Ausmaß des Elends verborgen blieb. Sie hatten auch vorher Engpässe genug gekannt, um die Freundschaft ihrer Freunde erprobt zu haben – und um zu wissen, daß die Freundschaft Mr. Elliots besser nicht erprobt wurde; doch erst bei seinem Tod trat der katastrophale Zustand seiner Finanzen in vollem Umfang zutage. Mit einem Vertrauen in Mr. Elliot, das mehr seiner Anhänglichkeit als seiner Urteilskraft zur Ehre gereichte, hatte Mr. Smith ihn zu seinem Testamentsvollstrecker bestimmt; doch Mr. Elliot wurde nicht tätig, und die Sorgen und Nöte, die diese Verweigerung ihr zusätzlich zu den unvermeidlichen Bekümmernissen ihrer Situation aufbürdete, waren so groß, daß sie weder ohne die äußerste Seelenpein aufgezählt noch ohne die entsprechende Entrüstung vernommen werden konnten.
    Anne bekam einige seiner Briefe in der Angelegenheit gezeigt, Antworten auf dringliche Bitten seitens Mrs. Smith, deren kalte Höflichkeit immer die gleiche unbeugsame Entschlossenheitoffenbarte, sich nicht mit einer aussichtslosen Sache abzugeben, immer die gleiche hartherzige Gleichgültigkeit gegenüber jeglichem Schaden, der ihr daraus entstehen mochte. Es war ein fürchterliches Zeugnis von Undank und Unmenschlichkeit, und Anne empfand zeitweise, daß kein noch so schändliches offenes Verbrechen schlimmer sein könne. Sie mußte sich vieles anhören: all das gehäufte Unglück, all die traurigen Szenen der Vergangenheit, die in früheren Gesprächen nur angedeutet worden waren, kamen nun in verständlicher Ausführlichkeit zu ihrem Recht. Anne begriff bestens, welch schmerzliche Erleichterung dies sein mußte, und bewunderte um so mehr die übliche heitere Gemütsverfassung der Freundin.
    Ein Umstand in ihrer Leidensgeschichte war ganz besonders empörend. Mrs. Smith hatte guten Grund zu der Annahme, daß ein Anwesen ihres Mannes auf den Westindischen Inseln, das infolge einer Hypothek lange Jahre unter Zwangsverwaltung gestanden hatte, mit dem richtigen Vorgehen wieder an sie fallen könnte; und dieser Grundbesitz, obschon nicht groß, wäre doch ausreichend, um sie vergleichsweise wohlhabend zu machen. Aber es gab niemanden, der etwas in der Sache unternahm. Mr. Elliot tat nichts, und sie, durch ihre körperliche Schwäche außerstande, sich selbst zu bemühen, und durch ihre beschränkten Mittel außerstande, andere zu bemühen, konnte nichts tun. Verwandte, die ihr wenigstens mit Ratschlägen hätten beistehen können, hatte sie keine, und um sich gesetzlichen Beistand zu erkaufen, fehlte ihr das Geld. Dies war eine grausame Erschwerung ihrer ohnehin prekären Lage. Zu wissen, daß sie von Rechts wegen besser gestellt sein sollte, daß ein paar Worte am richtigen Ort bereits ausreichen mochten, und fürchten zu müssen, daß weiterer Aufschub ihren Anspruch schwächen könnte, war schwer zu ertragen!
    Dies war die Angelegenheit, in der sie Annes Fürsprache bei Mr. Elliot erhofft hatte. Anfänglich hatte die Aussicht aufeine Heirat zwischen den beiden sie in tausend Ängste gestürzt, die Freundin dadurch zu verlieren; als sie dann aber sah, daß er nichts Dahingehendes versucht haben konnte, da er ja nicht einmal von ihrem Aufenthalt in Bath wußte, war ihr bald die Überlegung gekommen, ob sich der Einfluß der Frau, die er liebte, nicht zu ihren Gunsten nutzen lassen könne, und eilends hatte sie sich daran gemacht, Annes Anteilnahme in der Sache zu wecken – so weit natürlich nur, wie das mit Rücksicht auf Mr. Elliots Ruf statthaft schien –, bis Anne die vermeintliche Verlobung weit von sich wies und damit alles in ein ganz neues Licht rückte; und während dies Mrs. Smiths aufkeimende Hoffnung zerschlug, mit ihrem ersten Anliegen zu reüssieren, verschaffte es ihr doch den Trost, die ganze Geschichte von ihrer Warte erzählen zu dürfen.
    Nach all diesen Enthüllungen über Mr. Elliot mußte sich Anne doch über das gute Zeugnis verwundern, das Mrs. Smith ihm eingangs ausgestellt hatte. Sie hatte ihn ja empfohlen, ihn angepriesen!
    »Meine Liebe«, war Mrs. Smiths Antwort, »was blieb mir denn anderes übrig? Ich hielt es ja für sicher, daß Sie ihn heiraten

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