Anne Frasier
lassen konnte-, sagte sie.
Eine Hand in die Hüfte gestemmt, den Ellenbogen zur Seite gestreckt, kratzte er sich mit der freien Hand am Kinn, vollkommen ratlos. In diesem Augenblick erlaubte sie es sich, dass er ihr ein wenig leidtat. Den Bruchteil einer Sekunde fragte sie sich, wie es bei ihm zu Hause zuging. Wahrscheinlich schlimm. Wirklich schlimm. Sie dachte an verschiedene Möglichkeiten von Schlimmheit, dann ließ sie es.
Abraham hatte ihr keine persönlichen Informationen über Max Irving gegeben, er hatte nur gesagt, dass er der Beste in seinem Job war, und er hatte sogar zugegeben, dass es einen Fall gegeben hatte, in dem Irving einen Hypnotiseur bei den Ermittlungen um Hilfe gebeten hatte.
Sie sah ihn jetzt an und war überrascht, festzustellen, dass manche Frauen ihn wahrscheinlich attraktiv finden würden, mit seinem kurzen dunklen Haar, das jungenhaft verstrubbelt war, mit seinem zerknitterten Hemd, seiner zerstreuten Art, dem stechenden braun-grünen Blick und einer Haut, die aussah, als wäre sie mit Gold bestäubt.
»Okay«, sagte er, nachdem er offenbar zu einer Entscheidung gelangt war. »Kommen Sie in mein Büro.«
Drinnen griff er nach einem Telefonbuch, das so groß war, dass sie es mit zwei Händen hätte halten müssen. Er ließ es auf seinen unordentlichen Schreibtisch fallen und begann, darin zu blättern.
»An was für einen Preis dachten Sie?«
Sie murmelte eine Zahl, die sie für angemessen hielt.
»Nicht in dieser Stadt», sagte er, als müsste er noch deutlicher machen, wie wenig sie von der Wirklichkeit begriff.
Sie wusste, dass das Gebäude, in dem sie sich befanden, nicht sonderlich alt war, es war Anfang der Achtziger erbaut worden, als Jane Byrne Bürgermeisterin gewesen war. Aber aus irgendeinem Grunde strahlte sein überfülltes Büro die Aura aller alten Gebäude aus - ein bisschen schief, ein bisschen verschoben durch die Zeit, eine Ecke der Welt, in der Epochen aufeinander prallten. Chicago hatte den Aufstieg und Fall AI Capones gesehen, der, wenn man ihn mit dem kranken, abartigen Madonna-Mörder verglich, beinahe ein netter Mann gewesen zu sein schien, der bloß seiner Arbeit nachging.
Während Ivy über Chicago nachdachte und darüber, was die Stadt alles gesehen hatte, bellte Max Irving ins Telefon, kritzelte Nummern und Adressen auf einen gelben Block. Er hängte auf, riss das oberste Blatt von dem Block und verkündete: »Ich hab Ihnen ein paar Möglichkeiten rausgesucht. Wochenweise. Sie können Tiere halten, aber es kostet extra.«
Sie streckte die Hand nach dem Zettel aus, aber er ignorierte sie. »Es ist nicht weit von hier. Ich fahre Sie.» »Das ist vollkommen unnötig.«
Aber er wollte ihr dennoch das Blatt mit den Adressen nicht geben. Vor fünf Minuten war er ganz wild darauf gewesen, sie loszuwerden. Er hätte sich gefreut, wenn sie gesagt hätte, dass sie das Land verließ. Und jetzt wollte er ihr helfen, ein Apartment zu finden. Warum? »Ich erzähle Ihnen unterwegs von dem Fall.« Sie holte den armen Jinx, der immer noch ruhiggestellt war durch die Drogen, die der Tierarzt Ivy gegeben hatte.
»Ziemlich coole Katze«, sagte er und betrachtete Jinx, der in einer Ecke seines Käfigs lag.
»Sagt man das nicht immer?«, fragte sie. »Er schien so nett zu sein. Ruhig. In sich gekehrt.«
Sie bemerkte, dass er nicht begriff, dass sie scherzte. Aber dann lächelte er, obwohl ziemlich offensichtlich war, dass er
das gar nicht wollte. »Ihr Kanadier haltet euch für ziemlich komisch, was?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Die besten Komiker kommen aus Kanada.«
Er wollte widersprechen, aber dann konnte sie sehen, dass er ihr recht gehen musste.
Sie lächelte zurück. Amerikaner gaben sich hart. Mit ihnen zu tun zu haben war, als musste man sich daran erinnern, wie man Fahrrad fuhr. Erst war man ein wenig unsicher, aber man kam ziemlich schnell wieder drauf.
Max griff nach der Sheppard-Akte in ihrem brandneuen, steifen, glatten Umschlag, mitsamt 13xl9-Farbfotos vom Tatort, dann nahm er noch die Madonna-Mörder-Akte in ihrem weichen Umschlag voll verschmierter Fingerabdrücke, schlang ein dickes Gummiband um beide, sodass sie zusammenhielten, und klemmte sich den ganzen Mist unter den Arm.
»Kein Koffer?«, fragte er Dunlap und sah sich im Flur um, wo keiner stand.
»Habe ich am Empfang gelassen.«
»Wie lange kennen Sie Superintendent Sinclair schon?«, fragte er, als sie durch den Korridor gingen. Er hätte anbieten sollen, den Tierkäfig zu tragen,
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