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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marinchen
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ihr einmal gestanden. Schlimmer als jeder andere Mordfall, mit dem er zu tun gehabt hatte. Sie waren der Anfang einer Abwärtsspirale gewesen, die schließlich in Alkoholismus und Scheidung endete. Sie war zwei Jahre aus der Psychiatrie draußen gewesen, als ihr Telefon mitten in der Nacht geklingelt hatte. Anrufe mitten in der Nacht waren meist etwas Ernstes. Als sie seine Stimme erkannte, hatte sie beinahe den Hörer fallen lassen, weil sie dachte, der Madonna-Mörder wäre wieder aufgetaucht. Aber nein, Abraham hatte nur mit jemand reden müssen — mit jemand, der verstand, was er durchmachte. Er musste mit jemand reden, der ebenfalls mit einem Serienmörder in Kontakt gekommen war.
    Er war betrunken. Er nuschelte nicht, sondern war einfach nur traurig und vom Leben bedrückt und betrunken. Es war eines ihrer wenigen Gespräche in den Exiljahren gewesen, aber sie hatte nur ein paar kaputte Sätze gebraucht, um zu begreifen, wie weit der Wahnsinn des Menschenjägers reichte, welchen Schaden er anrichtete.
    Das Gepäck ihres Fluges war noch nicht auf dem Karussell. Sie warteten mit den anderen. Sie warteten mit einer Mutter und ihren beiden müden, jammernden Kindern, mit Geschäftsmännern und -frauen, mit Cowboys in engen Levi's, spitzen Stiefeln und glänzenden Gürtelschnallen.
    Ivy schaute auf den Schacht, aus dem das Gepäck bald kommen musste. Sie sah Abraham bewusst nicht an, als sie sagte: »Ich will der Köder sein.«
    Sie hörte, wie er abrupt den Atem einsog, spürte, wie sich seine Finger um ihren Arm schlossen und er sie von den anderen wegzog. Wie Sand füllten Menschen sofort ihren Beobachtungsposten .
    Als sie für sich standen, beugte Abraham sich nah an sie heran und flüsterte: »Wir wissen nicht einmal, ob es der Madonna-Mörder ist.« »Wenn du mich als Köder nimmst, kriegen wir es heraus.« »Auf keinen Fall.« »Ich habe keine Angst.«
    »Ich weiß. Das ist es ja, was mir Sorgen macht.« »Nimm mich. Deswegen bin ich gekommen.« »Das ist Selbstmord.«
    Sie zuckte mit den Achseln und lächelte. »Kamikaze.« »Du hast dich verändert.«
    Sie wusste, dass er damit meinte: dass sie nicht mehr ohne zu fragen tat, was er ihr sagte. »Ich habe meine Aufgabe gefunden, das ist alles.«
    »Ich fange an, mir zu wünschen, dass ich dich nie angerufen hätte.«
    »Hattest du eine Wahl? Du hast es versprochen.« »Aber ich wusste nicht, dass du sterben willst.« Sie war ihm nah genug, um die feinen Schweißperlen an seinem Haaransatz zu sehen, und die stählerne Entschlossenheit in seinem Blick. Sie wusste, es lohnte sich nicht, zu streiten. Jedenfalls nicht in dieser Sache.
    Ihr Freund war verschwunden. Der traurige, einsame Mann, der sie betrunken mitten in der Nacht angerufen hatte, war verschwunden. Jetzt sprach Superintendent Abraham Sinclair mit ihr, ein harter; ausdauernder Verarsch-mich-nicht-Cop.
    »Du bist viel frecher, als ich dachte. Wenn du glaubst, du
    könntest die Sache in die Hand nehmen«, sagte er geradeheraus, »dann kannst du genauso gut dein Gepäck nehmen und gleich wieder zurück nach Kanada fliegen.«
    Sie ignorierte seine Drohung und legte ihre Hände auf seine Oberarme. »Ich war nie frech genug.«
    Er überging das Argument. »Ich habe veranlasst, dass du bei einer Frau wohnst, die für die CPD gearbeitet hat. Ihre Kinder sind im College, sie hat ein Zimmer frei und stellt keine Fragen.«
    »Ich weiß das zu schätzen, aber ich wäre lieber allein. Ich hoffe, heute noch etwas zu finden.«
    »Bist du sicher? Ich dachte, es wäre vielleicht besser, wenn jemand in deiner Nähe ist.«
    »Danke, aber ich habe lieber meinen eigenen Raum.«
    »Okay, aber ich gebe dir trotzdem ihre Nummer, falls du nichts findest oder es dir anders überlegst.« Er zog ein Handy aus der Tasche und wählte. »Max? Abraham. Ich bin in deiner Richtung unterwegs und wollte nur wissen, ob du da bist. In fünfundvierzig Minuten habe ich ein Meeting mit dem Bürgermeister. Auf dem Weg in die Stadt werde ich Ivy Dunlap bei dir im Büro absetzen.«
    Ivy hörte eine gedämpfte Antwort, konnte aber nichts verstehen. Abraham legte auf und schob das Telefon zurück in seine Tasche. »Max Irving«, erklärte er. »Ich erzähle dir unterwegs von ihm.«

4
    Die Frau, die auf der Holzbank vor Max' Büro saß, war nicht das, was er erwartet hatte. Er dachte, dass sie jemand anders sein musste, bis sie sich erhob und vorstellte.
    »Hi, ich bin Ivy Dunlap.« Sie streckte ihm die Hand hin.
    Jetzt konnte er sehen, dass

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