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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marinchen
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Abend eintreffen.«

15
    Max und Ivy standen nebeneinander im Obduktionssaal vier der Cook County Morgue; sie trugen einen Gesichtsschutz, gelbe Einweg-Schürzen und weiße Einweg -Gummihand schuhe. Sie mussten mit Blut rechnen, mit Spritzern, und in der Zeit von AIDS war es das Beste, vorsichtig zu sein.
    Eine halbe Stunde zuvor war Max bei Ivy vorbeigekommen, vielleicht um sie zu Boden gehen zu sehen, vielleicht um herauszubekommen, ob sie nach der Initiation in die schreckliche, furchtbare Welt sinnloser Gewalt in der letzten Nacht überhaupt noch in der Stadt war. Er hatte bei ihr geklingelt und gesagt, sie könnte runterkommen, wenn sie hei der Obduktion dabei sein wollte. Er musste weniger als fünf Minuten warten.
    Er war gegen seinen Willen beeindruckt.
    Die Leichenstarre setzt normalerweise drei Stunden nach dem Tod ein. Sie beginnt bei den Gesichtsmuskeln und Augenlidern, breitet sich dann langsam auf Arme und Beine aus, und nach etwa zwölf Stunden ist der ganze Körper betroffen. In den meisten Fällen, wenn das Opfer nicht verbrannt oder vergiftet war, kehrt sich der Prozess nach sechsunddreißig Stunden um, dann wird der Körper wieder weich und biegsam.
    Manchmal warteten die Gerichtsmedizin«; bis die Leichenstarre sich gelöst hatte und der Körper wieder flexibel war. Aber bei so einem schrecklichen Mord war es das Beste, so schnell wie möglich vorzugehen.
    Die Leiche der Frau lag unter einem Laken auf einem Untersuchungstisch aus Stahl, der konkav geformt war und über einen Abfluss verfügte. Der Boden war aus Beton, die
    Wände waren weiß gekachelt. Fast alle Gegenstände waren aus Edelstahl und konnten jahrelang immer wieder sterilisiert werden. Eine Abzugshaube hing von der Decke, der Untersuchungstisch selbst verfügte über einen eigenen Abzug nach unten.
    Die oberste Leichenbeschauerin Eileen Bernard klemmte mit Händen, die mit ihren bevorzugten lilafarbenen Chirurgenhandschuhen bedeckt waren, die besser schützten als die helleren, ein kleines Mikrofon an ihren flüssigkeitsundurchlässigen Kittel. Unter dem linken Handschuh trug sie einen weiteren aus Drahtgeflecht.
    Eileen Bernard war seit neun Jahren oberste Leichenbeschauerin in Cook County. Davor war sie Assistentin gewesen, und davor Professor für kriminalistische Pathologie an der Universität Minnesota. Max schätzte, dass sie mehr Leichen aufgeschnitten harte, als beinahe jeder andere Mensch auf der Welt.
    Merkwürdiger noch: Es gefiel ihr sogar, und sie tat auch nicht so, als wäre das nicht der Fall. Was Max auf eine Frage brachte, die ihn schon seit ein paar Jahren ein ganz klein wenig beunruhigte: Hatte Eileen Bernard irgendetwas gemein mit den Serienmördern? Verspürte auch sie diesen besessenen Drang, Menschen aufzuschneiden, um zu sehen, wie es drinnen aussah? Bloß tat sie es legal und kassierte dafür noch ein ordentliches Gehalt.
    Sie schaltete das Aufnahmegerät ein; sie bediente es mit einem Fußhebel, sodass sie die Hände frei hatte. »Dies ist Dr. Eileen Bernard«, sagte sie ins Mikrofon. Es folgten das Aktenzeichen, der Name des Opfers, das Alter, das Gewicht. Die Größe.
    Obwohl Max die Leiche bereits am Tatort gesehen hatte, war er doch wiederum entsetzt, als Bernard sie komplett abdeckte und der grellen Helligkeit der Deckenlampen aussetzte.
    Der Geruch war nicht schlimm, ganz sicher nicht wie bei anderen Obduktionen, die er erlebt hatte, wenn man das Opfer erst nach Tagen gefunden hatte. Aber es war erstaunlich, wie schnell der menschliche Körper sich zu zersetzen begann - schon Minuten nach dem Tod ging es los, selbst jetzt hing der süßlich faulige Duft im Raum, obwohl es die Abluft gab, um den Gestank verschwinden zu lassen. Bald würde er sich in seinen Nasennebenhöhlen festsetzen, in seinem Haar. In der Zentrale würde er duschen und sich umziehen, aber der Geruch würde bleiben, egal wie viel Seife er benutzte und wie intensiv er schrubbte.
    Er hatte sich früher Wick in die Nase gesteckt, aber nach vier oder fünf Mal begann er, den Geruch des Menthols mit Tod zu assoziieren, und jetzt war es genauso schlimm wie der Geruch selbst. Wenn jemand in seine Nähe kam, der einen Hustenbonbon lutschte, zuckte Max zurück, und der Duft eines halb verrotteten Körpers strich ihm über das Gesicht. Er hatte es auch bei Ethan nicht anwenden können, als der klein gewesen war. Stattdessen stellte er die Dusche heiß und wartete, bis das Badezimmer voller Dampf war. Dann saß er auf dem Toilettendeckel und

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