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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marinchen
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hielt Ethan in den Armen, bis er aufhörte zu husten und schließlich friedlich einschlief.
    Bernard zog das Tablett mit ihren Werkzeugen heran - Skalpelle, Zangen, Stechbeitel und Gummihämmer. Sie war systematisch und ging stets genau so vor, wie sie es auch ihren Studenten beibrachte. Halte dich an die Routine und check alles beim ersten Mal. Soweit Max wusste, hatte es in keinem ihrer Fälle jemals den Bedarf einer Exhumierung gegeben - ein Beweis für ihre Gründlichkeit.
    Sie begann, den Körper von oben bis unten zu untersuchen, von vorn und hinten, und ihr Assistent, ein großer, ernst dreinschauender Mann, half still und schnell, wenn es nötig war. Normalerweise hatte ein Leichenbeschauer zwei Assistenten, aber es war klar, dass dieser Mann gut alleine klarkam.
    Nach der ersten Übersicht nummerierte Bernard die Stichwunden mit einem schwarzen Marker, und ihr Assistent half ihr, die Leiche umzudrehen. »Die Wunden sind beschränkt auf Brust und Unterleib.« Sie zählte noch einmal nach. »Zweiundzwanzig insgesamt.« Sie trat zurück, während ihr Assistent auf eine kleine Leiter stieg, um von oben Fotos zu machen.
    Sie katalogisierte mündlich jede Wunde, ihre Position und Tiefe. »Sie wurden alle mit derselben Waffe beigebracht, einem langen, breiten Messer.« Sie zog einen Gelenkarm mit einer Lampe und einer Lupe heran. »Sehen Sie das?« Mit einem lilafarbenen, blutverschmierten Handschuhfinger deutete sie auf zerfetztes Fleisch. »Gezahnt.«
    »Wie bei dem anderen Opfer«, sagte Max.
    »Ja.«
    »Aber größer als, sagen wir, ein Steakmesser.«
    »Ja.«
    »Ein schweres Brotmesser?«, fragte Ivy.
    Ihre Stimme klang hohl durch den Saal, vielleicht lauter, als sie erwartet hatte, wie es viele Stimmen taten, wenn die Besitzer versuchten, sich zusammenzureißen.
    Max warf ihr einen schnellen Blick zu; er fragte sich, ob sie jetzt genug hatte. Sie starrte das Opfer an. Statt der Angst und des Ekels, die er zu sehen erwartet hatte, entdeckte er etwas, das ihn an Trauer erinnerte.
    »Schärfer«, sagte Dr. Bernard. »Eher wie die Messer, die die Fleischer haben, um die Knochen zu durchtrennen.«
    Sie untersuchte die Leiche weiter, wies auf die rot-violetten Würgemale am Hals hin. Der Mund des Opfers war immer noch zu einem breiten Grinsen geklebt. Sie zog das Klebeband ab, aber die Leichenstarre hinderte den Kiefer daran, herunterzusacken. »Schwer zu sagen, aber ich möchte vermuten, dass sie eine schöne Frau war.« Sie bog den Mund auf und sah hinein, dann steckte sie zwei Handschuhfinger hinein. »Die Luftröhre ist zerquetscht.«
    »Ist sie erstickt?«, fragte Max.
    »Ich glaube nicht«, sagte sie langsam, nachdenklich. »Sieht so
    aus, als wäre sie schon tot gewesen. Das war nur um sicher zu gehen, dass sie tot ist. Als würden zweiundzwanzig Stichwunden dafür nicht reichen.«
    Mithilfe ihres Assistenten schob Dr. Bernard ein Gummikissen unter den Hals des Opfers, streckte den Hals und das Gewebe oberhalb der Brust. Dann griff sie nach einem Skalpell. Sie setzte am Brustbein an und schaute auf.
    Max Irvings Gesicht hinter dem durchsichtigen Acrylschild war so wenig zu deuten wie immer. Neben ihm starrte die Frau, die er als Ivy Dunlap vorgestellt hatte, die Leiche an, das Frauengesicht, ihre Lippen waren geteilt, ihr Atem bildete kleine Kondenswölkchen hinter ihrem Gesichtsschild.
    Bernie hoffte, dass sie nicht umkippte. Irving hatte nichts über sie gesagt, hatte nicht erklärt, warum die Frau hier war. Es war ungewöhnlich, dass Zivilisten bei einer Obduktion dabei waren, aber manchmal kam es vor. Vor Jahren hatte sie ein paar Reporter gehabt, als die Regeln noch nicht so streng gewesen waren. Keiner von ihnen hatte den ersten Schnitt überstanden, ganz zu schweigen davon, mit der Knochensäge den Schädel zu öffnen, um das Gehirn zu wiegen.
    Es gab unterschiedliche Meinungen darüber, was das Schlimmste war: der Geruch verbrannten Knochens, das schrille Jaulen von Metall auf Schädelkapsel oder der Anblick eines menschlichen Kopfes, der geknackt wurde wie eine Nuss.
    Nichts davon störte sie. Sie konnte sich auch nicht daran erinnern, dass es sie je gestört hätte, nicht einmal als sie klein war und ein totes Tier auf dem Highway in Oklahoma fand, der bloß dreißig Meter von ihrem Zuhause entfernt verlief. Sie hatte den Tieren das Fell abgezogen, um die Muskeln zu sehen, die Innereien, sie bohrte mit neugierigen Fingern in ihnen herum. Die Anatomie von Lebewesen faszinierte sie. Ihr ganzes Leben

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