Anne Frasier
nicht volljährig, und die Jury meinte
es gut mit ihm.« Mary wühlte in ihrer Handtasche, zog eine Zigarette heraus und entzündete sie mit einem rosafarbenen Bic. Rauchfreies Gebäude, aber zum Teufel ... »Ich habe dreimal aufgehört zu rauchen, aber ich fange immer wieder an.« Sie bot Ivy einen Zug von ihrer Zigarette an.
Ivy schüttelte den Kopf. »Nein, danke.« Im Geiste überschlug sie, vor wie viel Jahren Marys Freundin gestorben sein musste. »Ist er jetzt draußen? Der Mörder?«
»Er kommt bald raus.« Mary nahm ein paar tiefe Züge, glich die letzten paar Stunden aus. »Na, wenigstens ist er im Gefängnis nicht einsam«, sagte sie sarkastisch. »Seine Freundin schreibt ihm und besucht ihn andauernd.«
»Mörder ändern sich nicht. Das müssen die Menschen irgendwann verstehen. Denen wächst nicht plötzlich ein Gewissen.«
Mary drehte das Wasser an, löschte ihre Zigarette, warf sie in den Müll. »Wollen Sie was ganz Krankes hören? Seine Freundin ist meine Schwester.«
18
Drei Tage nach ihrer Ankunft verkündeten die Special Agents Anthony Spence und Mary Cantrell ihre Erkenntnisse einer Gruppe von etwa fünfzig Personen. Alle Mitglieder der Einsatzgruppe waren da, und außerdem etwa hundert Polizisten. Keine Presse. Keine Kameras.
»Alleinstehender weißer Mann mit schweren psychischen Problemen, die medizinischer Behandlung bedürfen«, erklärte Agent Mary Cantrell vom Pult vorn im Saal aus. »Lebt wahrscheinlich bei seiner Mutter oder einer anderen weiblichen Verwandten. Alter: Mitte vierzig.«
Spence unterbrach sie, er beugte sich hinüber zum Mikrofon. »Wir hätten gesagt, Ende zwanzig, aber wir wissen ja, dass es der Madonna-Mörder ist, und der muss jetzt in den Vierzigern sein.«
»Es ist ungewöhnlich, dass ein Serienmörder so alt ist«, sagte Cantrell, »aber er ist offenbar eine Ausnahme.«
Sie fuhr fort. »Verabredet sich vielleicht dann und wann, hat aber keine feste Freundin. Möglicherweise hat er einen Job, der Können am Computer voraussetzt. Vielleicht ist er Programmierer. Ein Job, bei dem man mit vielen Leuten zusammenarbeitet, mit ihnen aber nur kurz am Tag zu tun hat.«
»Oder er arbeitet im Telemarketing«, sagte Spence. »Jemand, der mit den Leuten aus der Ferne zu tun hat, der sie geschickt manipuliert. Er könnte auch Makler sein, vielleicht ein Versicherungsmakler. Ein Versicherungsmakler hat Zugriff auf die medizinischen Unterlagen seiner Kunden. Außerdem kann er ausgezeichnet organisieren. Das erkennt man schon daran, dass er nie Beweise zurücklässt.«
»Es könnte sein, dass er einen Viertürer fährt, etwa einen Caprice, mehrere Jahre alt«, sagte Cantrell. »Vielleicht sogar einen versteigerten ehemaligen Polizeiwagen - aber ich denke, dieser Mann ist zu klug dafür. Aber möglicherweise einen Caprice, oder einen ähnlichen Wagen, denn die fahren auch Polizisten. Er hat vielleicht sogar versucht, Polizist zu werden, ist aber bei einem Teil der Tests durchgefallen. Möglicherweise ist er jetzt Freiwilliger und regelt den Verkehr nach Konzerten oder Footballspielen.«
Als sie fertig war, trat Spence ans Pult, um mögliche Vorgehensweisen vorzuschlagen.
»Wir werden Ihnen einige Tipps geben, die uns in der Vergangenheit gute Dienste geleistet haben, und ein paar zusätzliche Ideen, die nur auf diesen Fall zutreffen. Der erste Vorschlag ist, dass Sie eine Gedenkveranstaltung mit Kerzen für das letzte Opfer veranstalten. Detectives sollten den Ort, an dem die Zusammenkunft stattfindet, beobachten, ob jemand Verdächtiges auftaucht. In neun von zehn Fällen wird so eine Zusammenkunft den Killer anlocken. Ein weiterer Vorschlag ist, die Gräber der früheren Opfer im Auge zu behalten. Wir wissen aus Erfahrung, dass die Mörder fast immer die Gräber ihrer Opfer besuchen. So wurde John Chapman gefasst. Und Vincent Thomas. Sie könnten auch Freiwillige bitten, bei der Ermittlung zu helfen. Wie Agent Cantrell schon sagte, viele Serienmörder haben versucht, Polizisten zu werden, und etliche haben auf ehrenamtlicher Basis mit der Polizei zusammengearbeitet. Denn diese Männer verspüren den Drang, zu dominieren, und müssen alles unter Kontrolle haben. Sie brauchen Autorität. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, eine erfundene Geburtsanzeige in die Zeitung zu setzen, zusammen mit einer Adresse, wo Polizisten auf der Lauer liegen. Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich Ihnen noch sagen, nach welchen Anzeichen Sie Ausschau halten sollten. Diese Täter,
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