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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marinchen
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Fernsehen, kein Radio. Keine äußerlichen Stimulationen irgendwelcher Art. Sie konnten schlafen, wann ihnen danach war, essen, wann ihnen danach war — und unter Kunstlicht konnten sie so viel lesen, wie sie wollten. Dafür bekamen sie ein kostenfreies Jahr an der Uni.«
    »Gutes Geschäft.«
    »Da wäre ich an Ihrer Stelle nicht so sicher. Kurz nach dem Ende des Versuchs hat die teilnehmende Frau sich umgebracht. Und die beiden Männer konnten niemals wieder zu ihren Studien zurückkehren, da sie unerklärlicherweise nicht mehr fähig waren, sich zu konzentrieren. Meine Frage ist: Welchen Effekt, wenn überhaupt, hat mangelndes Sonnenlicht auf den Geist eines Kriminellen? Ich behaupte, dass Lichtmangel selbst bei den unempfänglichsten Personen zu Depressionen und in manchen Fällen sogar Krämpfen führen kann. Bei empfänglichen Personen führt er zu neurotischem Verhalten, sogar Selbstmord. Ich wollte gerade einen Antrag auf Förderungsgelder stellen, um herauszufinden, ob
    man da irgendwelche Zusammenhänge feststellen kann, als Abraham mich anrief.«
    »Ich hoffe, Sie wollten keine Kinder unter die Erde schicken.«
    »Ich möchte Vergleichsstudien mit den Noten von Jugendlichen vornehmen, die Schulen besuchen, in deren Gebäude natürliches Licht vorherrscht, und denen von Kindern, die unter Kunstlicht lernen. Ich hoffe, beweisen zu können, dass die Schüler im Sonnenlicht besser sind.«
    »Das ist eine faszinierende Theorie. So faszinierend, dass ich mich wieder frage, was Sie eigentlich hier machen. Was an diesem Fall ist wichtig genug, dass Sie Ihr Heim und Ihre Arbeit im Stich lassen?«
    Er erwartete keine Antwort, und aus dem schmerzvollen Blick, den sie ihm zuwarf, schloss er, dass er auch keine bekommen würde.
    »Schon gut, vergessen Sie's.« Er trank sein Wasser aus.
    »Ich gehe wieder rein. Sie können ja hierbleiben und fertig backen.« Er hatte sich gerade abgewandt, als sie weitersprach. »Max. Warten Sie.«
    Sie hatte ihn noch nie zuvor Max genannt, was er als Hinweis darauf wertete, dass jetzt etwas Interessantes passieren könnte.
    Als er sich wieder umdrehte, sah sie weg, in Richtung der Grand Avenue. »Ich muss Ihnen etwas sagen.«
    Sie sah ihn noch immer nicht an, und er begann die besorgniserregende Schwere zu fühlen, die ihn manchmal bei einem Streit mit Ethan überkam. Ihm fiel ein, dass das letzte Mal, als eine Frau, die er kaum kannte, ihm etwas Wichtiges zu sagen hatte, es darum gegangen war, dass sie bald sterben würde.
    »Letzte Nacht... konnte ich nicht schlafen.«
    Obwohl die Worte an sich nicht bemerkenswert waren, verschwand das Gefühl der Schwere nicht.
    »Ich glaube, das Problem haben wir alle«, sagte er.
    »Nein, es ist etwas anderes.«
    Sie wollte weg, vermutete er sofort. Gerade jetzt, da er begonnen hatte, sich an sie zu gewöhnen, wollte sie sich verdrücken.
    Sie drehte sich um, und er konnte sehen, dass die helle Sonne ihre Pupillen in Stecknadeln umgeben von Blau verwandelt hatten.
    »Ich bin Claudia Reynolds.«
    Blau, blau, blau.
    Sie sah ihn an, wartete auf eine Antwort, aber sein Hirn hatte dichtgemacht. Er fürchtete, sein Mund könnte offen stehen geblieben sein.
    »Ich kann es nicht mehr länger geheim halten, wenn ich hier weitermachen will.«
    »Sie sind Claudia Reynolds?« Er hatte Probleme, diese Information zu verarbeiten. »Ja.«
    Als Detective hatte er schon viel gesehen, was schwer zu glauben war, aber er war selten überrascht.
    Sein Hirn weigerte sich, in die Richtung zu denken, die sie vorgab. Sie verarschte ihn. Aus irgendeinem Grunde verarschte sie ihn. Claudia Reynolds war tot. Eine Kopie ihres Totenscheins befand sich in der Originalakte.
    »Sie glauben mir nicht?«
    »Teufel, nein!«, rief er. »Also wirklich! Abraham hatte den Fall damals. Er hätte doch gewusst ...« Er hielt mitten im Satz inne, mitten im Gedanken.
    Jetzt passte es zusammen, so ergab es einen Sinn. Abraham. Ja. Abraham hatte es gewusst. Abraham hatte ja auch dafür gesorgt, dass Ivy nach Chicago kam.
    Sie zog ihr weißes Top hoch bis zum unteren Ende ihres Brustkorbs. Auf ihrem Bauch zeichneten sich wulstige Narben ab, manche weiß, manche rosa, als seien sie nie wirklich geheilt. Sie begann, ihre Khakihose aufzuknöpfen. »Nein. Das müssen Sie nicht tun.« »Sie müssen mir glauben.«
    Sie klemmte ihr Oberteil zwischen Kinn und Brust, öffnete den Reißverschluss ihrer Hose und zeigte einen Bauch mit demselben wilden Narbenmuster. Sie hob das Kinn und sah ihn an.

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