Anne Frasier
noch beschleunigen könnte.«
Unten gaben sie den Schlüssel zurück und bekamen den Namen des vorigen Hausmeisters.
»Ich konnte den Namen des Mannes nicht finden, der das Zimmer mieten wollte«, sagte der Hausmeister. »Aber ich habe noch ein paar Kisten im Lager, die ich durchsehen kann.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie was finden«, sagte Max.
Sie gingen hinaus.
In der kurzen Zeit, die sie in dem Wohnhaus verbracht hatten, war das Wetter umgeschlagen, der Ostwind brachte einen der brutalen Sommerstürme mit sich, die Fenster scheppern ließen und den Himmel nachtdunkel schwärzten.
Der wütende Wind stemmte sich gegen das Kellerfenster, riss es mit einem lauten Klack auf, doch dann griff die metallene
Kette, sodass es sich nur ein paar Zentimeter öffnen konnte. Messerscharfe Regentropfen stachen in seinen Arm, als er sich bemühte, das Fenster wieder zu schließen. Endlich gelang es ihm.
Früher hatte er Angst vor Stürmen gehabt. Als er klein gewesen war, hatte er sich immer unter seinem Bett versteckt. Dort fand ihn seine Mutter und lachte ihn aus.
Aber jetzt gaben die Stürme ihm Macht. Sie machten ihn stark, machten ihn größer, als er gewesen war. Mit jedem Blitz wuchs seine Kraft. Er konnte das heiße Blut mit jedem donnernden Herzschlag durch seine Venen pumpen spüren, der Sauerstoff sättigte sein Hirn. Menschen waren so komplexe Wesen, waren ein missgebildeter, kranker Witz. Wenn Außerirdische auf der Erde landen würden, müssten sie die Menschen für beschämend scheußlich halten, mit all ihren Innereien und Flüssigkeiten und Zähnen. Er war geil. Er brauchte eine Frau. Keine Hure, sondern eine richtige Frau. Er stand im Keller, seine Hand tief in seiner Hose vergraben, um seine Kraft geschlungen. Jede Frau auf der Welt würde ihn wollen. Jede Frau auf der Welt würde nur zu gern sterben, um ihn zu haben. Selbst seine Mutter.
»Hast du einen Steifen?«, hatte sie ihn eines Morgens gefragt, da war er sechzehn. Sie hatte gelacht und ihm die Hand in die Unterhose gesteckt, und er war zu einer Rosine zusammengeschrumpft. »Glaubst du, du kriegst ein Mädchen, wenn du ihn nicht mal hochhalten kannst? Aber keine Sorge. Deine Mama wird dich immer lieben.«
So war sie. Mal züchtigte sie ihn und schimpfte, weil er masturbierte oder Mädchenmagazine hatte, dann wieder steckte sie ihm die Hand in die Hose, als gehörte er ihr ganz und gar.
Seine erste Verabredung hatte er mit einem Mädchen gehabt, das bei den Jungs beliebt war, weil sie sich von jedem
befummeln ließ, jederzeit, überall. Aber des Nachts, als er ihn ihr hatte reinstecken wollen, war er zusammengeschrumpelt, wie als seine Mutter ihre Hände in seine Hose geschoben hatte. Und das Mädchen hatte über ihn gelacht. Genau wie seine Mutter.
Huren. Sie waren alle Huren. Das war der Grund. Männer bezahlten seine Mutter für Sex. Nicht mehr viel, aber manchmal kam noch ein alter Kunde. Und er fragte sich: Bist du mein Vater? Du hässliches Arschgesicht.
Er musste sich daran erinnern, musste sich vergegenwärtigen, dass er einfach nicht aus ihr gekrochen sein konnte.
Er brauchte jemand, der keine Hure war. Jemand, der sauber und rein und jungfräulich war. Ivy Dunlap.
Der Name war plötzlich in seinen Gedanken. Er hatte sie schon halb, denn sie interessierte sich bereits für ihn.
Es war leicht gewesen, ihren Namen herauszubekommen. Er musste ihr nur von der Polizeizentrale aus nach Hause folgen. Er hatte beobachtet, wie sie in der Lobby ihres Wohnhauses ihre Post holte, merkte sich die Briefkastennummer, die zugleich ihre Wohnungsnummer war Dann musste er nur noch ihren Namen auf dem Verzeichnis neben der verschlossenen Doppeltür suchen. Ivy Dunlap.
Er war nach Hause gefahren und hatte auf seinem Computer nach ihr gesucht, er hatte nicht erwartet, etwas zu finden, er hatte gedacht, er musste andere Wege beschreiten, andere Verbindungen nutzen, andere Quellen. Aber er hatte sofort herausbekommen, dass Ivy Dunlap ein Buch geschrieben hatte. Symbolic Death: In s i de the Mind of a Ser i al Kil ler.
Er harte das Buch im Internet bestellt, hatte sich gefragt, warum er nichts davon gehört hatte. Er dachte, er hätte jedes Serienmörderbuch gelesen, das herausgekommen war.
Mit ein wenig mehr Wühlarbeit bekam er heraus, dass das Buch in den USA nicht erschienen wai; es wurde von einem Kleinstverlag in Kanada herausgebracht. Aha. Ivy Dunlap war aus Kanada. Sie hatten sie hergeholt, um ihn zu fangen.
Das fand er extrem lustig.
Weitere Kostenlose Bücher