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Anne Gracie

Anne Gracie

Titel: Anne Gracie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zarte Küsse der Sehnsucht
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mit­ge­bracht, weil er von
ei­ner Ku­gel ge­streift wor­den war.
    Ei­ne
Ku­gel. Al­so war es
zu ei­nem Schuss­wech­sel ge­kom­men.
    Sie war
si­cher, dass sie ihr Lü­gen auf­ge­tischt hat­ten, um sie zu scho­nen, und das
mach­te Nell wahn­sin­nig. Als ob Har­ry, der ge­nau wuss­te, wie sehr sie sich um
ihn sorg­te, ein­fach so aus ge­schäft­li­chen Grün­den noch in Lon­don ge­blie­ben
wä­re.
    „Nell,
Lie­bes, möch­test du das nicht auch ler­nen?“, sag­te Tan­te Mau­de jetzt zu
ihr. Sie brach­te Cal­lie und Tib­by das Stri­cken bei. „Ich weiß, du machst dir
Sor­gen, Lie­bes, aber die Be­schäf­ti­gung tut ei­nem gut.“
    Nell
schüt­tel­te den Kopf. „Ich stel­le mich beim Stri­cken schreck­lich un­ge­schickt
an.“ Stri­cken – das brach­te nur wie­der Er­in­ne­run­gen mit sich.
    Tan­te Mau­de
nick­te und ließ sie in Ru­he.
    Tymms
be­trat laut­los den Sa­lon und kam zu Nells Über­ra­schung di­rekt auf sie zu. Er
ver­neig­te sich und raun­te ihr dis­kret ins Ohr: „Zwei Be­su­cher er­war­ten Sie im
blau­en Sa­lon, Myla­dy.“
    „Zwei?“
Nell sprang auf und eil­te aus dem Zim­mer. Wa­ren das Män­ner, die ihr mit­tei­len
woll­ten, dass Har­ry ver­letzt war? Oder gar noch Schlim­me­res? Sol­che Leu­te ka­men
im­mer zu zweit.
    Sie stieß
die Tür zum blau­en Sa­lon auf. Har­ry stand mit dem Rücken zur Tür und sah aus
dem Fens­ter.
    „Har­ry!“
Sie flog förm­lich auf ihn zu.
    Er dreh­te
sich um und Nell kam ruck­ar­tig zum Ste­hen, als sie sah, was er im Arm hielt.
    „Pst“,
mahn­te er. „Nicht so laut. Du weckst noch das Ba­by auf.“ Er lä­chel­te.
    Sie stand
wie an­ge­wur­zelt da. Starr vor Schock. Was mach­te er mit ei­nem Ba­by? Wo­her hat­te
er es? Und warum? Kal­te Übel­keit über­kam sie. Glaub­te er, er könn­te ihr einen
Er­satz für To­rie brin­gen? Ver­stand er wirk­lich so we­nig, wie es in ihr aus­sah?
Sie muss­te sich zwin­gen zu spre­chen. „Ich will ... Ich brau­che kein ...“
Sie zeig­te mit zit­tern­der Hand auf das Ba­by.
    „Das ist
To­rie.“
    Sie
schüt­tel­te hef­tig den Kopf. „To­rie ist tot. Sie ist ge­stor­ben und ...“
    „Nein“,
be­harr­te er sanft. „Das ist To­rie. Dein Va­ter hat sie da­mals zu Sir Ir­win
ge­bracht.“
    Sie starr­te
ihn an und ver­such­te sich einen Reim auf das zu ma­chen, was er da eben ge­sagt
hat­te. „Das glau­be ich nicht“, flüs­ter­te sie. „Warum hät­te er so et­was tun
sol­len?“
    „Weil dem
Ge­setz nach ein Kind sei­nem Va­ter ge­hört. Aus dem­sel­ben Grund hat Lord
Quen­bo­rough mich sei­ner­zeit auf den Stu­fen vor dem Haus mei­nes Va­ters ab­ge­legt
– weil der für mich ver­ant­wort­lich war. Das hier ist wirk­lich To­rie, dei­ne
To­rie.“
    Nell hol­te
sto­ckend Luft und leg­te die Hän­de vor den Mund. Sie fing an zu zit­tern. Sie
konn­te den Blick nicht von dem Bün­del in Har­rys Arm wen­den. Sie glaub­te es
nicht, aber ach ... wie gern hät­te sie es ge­glaubt!
    Sie wür­de
es nicht er­tra­gen, die Klei­ne an­zu­se­hen – und dann er­ken­nen zu müs­sen, dass
die­ses Ba­by, wie al­le an­de­ren zu­vor, nicht ih­re Toch­ter war. Sie fürch­te­te sich
vor dem un­ver­meid­li­chen Schmerz.
    Sie konn­te
es aber auch nicht er­tra­gen, das Kind nicht an­zu­se­hen. Lang­sam trat sie einen
Schritt vor, die ei­ne zit­tern­de Hand aus­ge­streckt, die an­de­re an die Brust
ge­presst. Das ist nicht To­rie, To­rie ist tot, re­de­te sie sich ein, um sich
selbst zu schüt­zen, um die auf­kei­men­de Hoff­nung zu er­sti­cken.
    Hoff­nung
war das grau­sams­te al­ler Ge­füh­le.
    Das Ba­by in
Har­rys Ar­men be­weg­te sich und gähn­te herz­haft. Dann schlug es die Au­gen auf und
sah sei­ne Mut­ter an.
    In dem
Mo­ment er­kann­te Nell die Au­gen ih­rer ei­ge­nen Mut­ter wie­der, die ho­he Stirn
ih­res Va­ters, die ... „Oh Gott, es ist To­rie“, schluchz­te sie und nahm
Har­ry ih­re Toch­ter ab. Sie schmieg­te das Ge­sicht an To­ries klei­ne Hals und
at­me­te ih­ren Duft ein. Ihr Ba­by, ih­re Toch­ter, ih­re To­rie.
    „To­rie,
ach, To­rie ...“ Am gan­zen Leib zit­ternd sank sie auf das So­fa und wieg­te
ih­re Toch­ter wei­nend in ih­ren Ar­men. Ganz zart strich sie über To­ries Ge­sicht,
die win­zi­gen

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