Anne Gracie
Ohrmuscheln und den goldenen Flaum auf ihrem Kopf.
Etwas fiel
aus den Falten des Handtuchs. Eine kleine Lumpenpuppe.
Nell
starrte sie an. „Oh Gott, was ist das?“
Harry
bückte sich und hob sie auf. „Nur eine Puppe, die mir das Mädchen mitgegeben
hat. Sie sagte, sie gehöre Torie, aber das ist nichts ...“
„Dreh sie
um“, flüsterte Nell.
Harry
drehte die kleine Lumpenpuppe kopfüber um, und als ihr Röckchen nach unten
fiel, kam ein zweiter Kopf zum Vorschein. „Sehr seltsam“, meinte er.
„Das ist
eine Wandelpuppe. Ich habe sie vor Tories Geburt für sie gemacht“, hauchte
Nell. „Genauso eine wie die, die Mam früher für mich gemacht hat. Ich hatte sie
ganz vergessen. Papa muss sie für Torie mitgenommen haben. Sie ist wirklich und
wahrhaftig meine Torie.“ Sie barg das Gesicht an der Brust ihres Babys.
Torie packte Nells Haar und zog kräftig daran. „Sie nur, wie stark du geworden
bist, mein Liebling“, sagte Nell, gleichzeitig lachend und weinend.
Harry löste
vorsichtig die kleinen Finger aus Nells Haar, setzte sich neben seine beiden
jungen Damen und legte den Arm um sie. Um sie beide. Es fühlte sich vollkommen
an.
Nell sah
ihn an, versuchte in Worte zu fassen, wofür es keine Worte gab, und merkte,
dass auch seine Augen feucht waren.
Er hielt
sie im Arm, während sie Torie ganz genau untersuchte. Sie staunte über jede
Veränderung und kämpfte vergeblich gegen die Flut von Gefühlen an, die sie zu
überwältigen drohte. So viele Wochen des Kummers und des Schmerzes – und nun
lag Torie wieder in ihren Armen.
„Ist sie nicht
wunderschön, Harry?“, schluchzte sie. „Ich habe dir gleich gesagt, dass
sie wunderschön ist.“
„Natürlich
ist sie das“, stimmte er heiser zu. „Schließlich kommt sie ganz nach ihrer
Mutter.“
Die Tür
ging auf und Tante
Maude sah in den Salon. „Nell, ist alles in ...“ Sie verstummte. „Oh nein
... ach je ...“
„Ich habe
meine Torie wieder, Tante Maude“, sagte Nell unter Tränen. „Harry hat sie
für mich gefunden. Er hatte es mir versprochen, und er hat sein Versprechen
gehalten.“
Tante Maude
kam auf Zehenspitzen näher und betrachtete das Baby. Sie gurrte entzückt – und
runzelte dann die Stirn. „Hast du meiner Großnichte etwa einen Kissenbezug
angezogen, Harry Morant?“
Harry
zuckte mit den Schultern. „Sie hatte nichts anderes zum Anziehen“, gestand
er. „Aber es macht ihr nichts aus, nicht wahr, meine Süße? Sie trägt gern
Handtücher und Kissenbezüge.“ Er kitzelte Torie, die begeistert versuchte,
nach seinen Fingern zu greifen.
„Handtücher
und Kissenbezüge?“, rief Tante Maude empört. „Du hast das arme Kind in
Handtücher und Kissenbezüge gekleidet? Wartet hier.“ Tante Maude
verschwand und kehrte wenige Minuten später mit dem großen Korb zurück, den
Nell schon von der Reise von Bath nach London kannte. Tante Maude stellte ihn
auf den Tisch. „Bringt das Kind her“, befahl sie.
Erstaunt
verfolgte Nell, wie Lady Gosforth ein winziges weißes Kleidungsstück nach dem
anderen zum Vorschein brachte. Da waren Kleidchen, kleine Westen, Babyschuhe,
Mützchen, winzige Fäustlinge, Schals und Decken, alles erlesen gearbeitet.
Manche Stücke waren sogar mit Seide gefüttert. „Woher hast du das alles?“,
fragte sie, obwohl sie die Antwort schon zu kennen glaubte.
„Ich sagte
dir doch, ich musste mich mit irgendetwas beschäftigen“, erwiderte Tante
Maude ruhig. „Ich wusste, eines Tages würden die Sachen gebraucht werden, und
nun ist Torie da, und die Arbeit hat sich gelohnt.“ Sie strich zärtlich
über die weiche Babywange. „Jetzt wollen wir ihr etwas Hübsches anziehen und
dann soll sie den Rest ihrer Familie kennenlernen.“
Nach dem
Abendessen fand
Harry den Earl neben der
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