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Anne in Avonlea

Anne in Avonlea

Titel: Anne in Avonlea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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hatte. Also rief ich ihn eines Nachmittags nach der Schule zu mir und redete freundlich mit ihm. Ich erklärte ihm, seine Mutter wünsche, dass ich ihn St. Clair nenne und dass ich mich ihren Wünschen nicht widersetzen könne. Er sah es ein, nachdem ich es ihm auseinander gelegt hatte - er ist wirklich sehr verständig. Er sagte, ich könne ihn St. Clair nennen, aber allen Jungen, die es wagten, ihn so zu nennen, würde er >das Maul stopfen<. Natürlich musste ich ihn dafür, dass er sich so unflätig ausdrückte, auch wieder rügen. Jetzt nenne ich ihn St. Clair, die Jungen nennen ihn Jake und alles verläuft reibungslos. Er möchte Zimmermann werden, aber Mrs Donnell sagt, ich hätte gefälligst einen College-Professor aus ihm zu machen.«
    Das Wort College lenkte Gilberts Gedanken auf ein anderes Thema. Sie unterhielten sich eine Weile eingehend, ernst und hoffnungsvoll über ihre Pläne und Wünsche-wie junge Leute sich nun mal gern unterhalten, wobei die Zukunft noch ein unbetretener Pfad voll der wundervollsten Möglichkeiten ist.
    Gilbert hatte sich endgültig entschieden und wollte Arzt werden. »Es ist ein wunderbarer Beruf«, sagte er voller Begeisterung. »Das menschliche Leben ist ein einziger Kampf - hat nicht einmal jemand den Menschen als ein kämpfendes Tier bezeichnet? Ich will Krankheiten, Schmerzen und Unwissenheit bekämpfen. Ich will meinen bescheidenen und aufrichtigen Anteil dazu beitragen, Anne, ein wenig zur Gesamtheit des Wissens hinzuzufügen, das die Menschheit seit den Anfängen zusammengetragen hat. Die Vorfahren haben so viel für mich getan, dass ich mich dankbar zeigen und etwas für diejenigen tun will, die nach mir leben. Für mich ist es der einzige Weg, seiner Verpflichtung der Menschheit gegenüber gerecht zu werden.«
    »Ich möchte andere Menschen bereichern«, sagte Anne verträumt. »Ich will ihnen nicht unbedingt mehr Wissen beibringen, auch wenn das das höchste Streben ist, sondern ich möchte, dass sie durch mich eine angenehmere Zeit verleben, dass sie eine kleine Freude oder einen glücklichen Gedanken haben, was nie der Fall gewesen wäre, wäre ich nicht geboren worden.«
    »Ich glaube, das erfüllst du Tag für Tag«, sagte Gilbert bewundernd. Er hatte Recht. Anne war von Geburt an ein Kind des Lichts. War sie mit einem Lächeln oder mit ein paar Worten, die wie ein Sonnenstrahl waren, in das Leben eines Menschen getreten, so war er beeindruckt. Denn dieser Augenblick war so hoffnungsvoll und schön und stand unter einem guten Stern.
    Schließlich stand Gilbert voller Bedauern auf.
    »So, ich muss schnell zu den MacPhersons hinüber. Moody Spurgeon ist heute aus Queen’s gekommen und bis Sonntag da. Er wollte mir ein Buch mitbringen, das Professor Boyd mir versprochen hat.«
    »Und ich muss für Marilla Tee kochen. Sie ist heute Nachmittag zu Mrs Keith gegangen und wird bald zurückkommen.«
    Anne hatte den Tee fertig, als Marilla nach Hause kam. Das Feuer knisterte munter, eine Vase mit ausgebleichten Farnblättern und rubinroten Ahornzweigen schmückte den Tisch und ein köstlicher Duft nach Schinken und Toast erfüllte den Raum. Aber Marilla sank mit einem tiefen Seufzer in den Stuhl.
    »Tun dir die Augen weh? Hast du Kopfschmerzen?«, fragte Anne besorgt.
    »Nein. Ich bin nur müde - und mache mir Sorgen. Wegen Mary und den Kindern. Mary geht es immer schlechter, sie wird nicht mehr lange durchhalten. Und was die Zwillinge angeht, ich weiß einfach nicht, was mit ihnen werden soll.«
    »Hat man noch nichts von ihrem Onkel gehört?«
    »Doch, Mary hat einen Brief von ihm bekommen. Er arbeitet in einem Holzwerk und >hackt Holz<, was immer das auch bedeutet. Jedenfalls schreibt er, er könne die Kinder unmöglich vor dem Frühjahr zu sich nehmen. Bis dahin wolle er sich verheiraten und hätte ein Zuhause für sie, aber den Winter über müsse sie die Nachbarn bitten, die Kinder bei sich aufzunehmen. Sie sagt, sie möge keinen darum bitten. Mary hat sich nie sonderlich gut mit den Leuten in East Grafton verstanden, das ist nun mal so. Der langen Rede kurzer Sinn, Anne: Mary will, dass ich die Kinder nehme. Sie hat das zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber sie hat ganz den Anschein erweckt.«
    »Oh!« Anne faltete vor lauter Aufregung die Hände. »Du nimmst sie doch auf, Marilla, nicht wahr?«
    »Ich habe mich noch nicht entschieden«, sagte Marilla ziemlich scharf. »Im Gegensatz zu dir stürze ich mich nicht Hals über Kopf in irgendwelche Dinge, Anne. Als

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