Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Anne in Kingsport

Titel: Anne in Kingsport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
Vom Netzwerk:
wohnte. Ständig musste sie einen zur Ordnung anhalten. Erst am Tag vorher hatte sie sich eingemischt und auf Marilla eingeredet, dass sie Davy nicht erlaubte, mit den Cotton-Kindern zum Angeln zu gehen. Davy kochte noch vor Wut deswegen. Unten am Hohlweg angekommen, explodierte er: »Zum Teufel mit ihr!«
    »Davy, du sollst doch nicht fluchen«, keuchte Dora entsetzt. »>Zum Teufel< ist kein Fluchwort - kein richtiges jedenfalls. Und wenn, ist es mir auch egal«, erwiderte Davy unbekümmert. »Wenn du schon fluchen musst, dann wenigstens nicht am Sonntag«, flehte Dora.
    »Ich werde mein eigenes Fluchwort erfinden«, erklärte er. »Dafür wirst du vom lieben Gott bestraft«, sagte Dora ernst. »Dann ist Gott ein gemeiner, elender Schuft«, erwiderte Davy. »Sonst wüsste er, dass man seine Gefühle herauslassen muss.«
    »Davy!!!«, sagte Dora. Sie dachte, dass er auf der Stelle tot Umfallen würde. Aber nichts geschah.
    »Ich halte Mrs Lyndes Herumkommandieren nicht mehr aus«, zischte Davy. »Anne und Marilla haben vielleicht das Recht dazu, aber die nicht. Ich werde hingehen und all das tun, was sie mir verboten hat. Der zeig ich’s!«
    In grimmigem, bedachtsamem Schweigen ging Davy vom grünen Gras am Straßenrand herunter und stapfte durch den feinen Staub, der nach vier Wochen ohne Regen knöcheltief die Straße bedeckte. Er schlurfte hindurch, bis er von einer Staubwolke eingehüllt war.
    »Das ist die erste Tat«, verkündete er triumphierend. »Und ich werde im Gang stehen bleiben und solange es geht mit jemand quatschen. Ich werde auf dem Stuhl hin und her wippen und flüstern und ich werde sagen, ich hätte den Bibeltext nicht gelernt. Und ich werfe das Kollektengeld weg.«
    Mit wildem Vergnügen warf Davy die Münzen über Mr Barrys Zaun.
    »Dich reitet wohl der Teufel«, sagte Dora vorwurfsvoll.
    »Tut er nicht!«, rief Davy entrüstet. »Es war ganz allein meine Idee. Und noch was hab ich mir überlegt. Ich geh nicht zur Sonntagsschule und auch nicht in die Kirche. Ich geh zu den Cottons spielen. Sie haben gestern erzählt, sie gehen heute nicht zur Sonntagsschule; ihre Mutter ist nämlich nicht da, und also ist auch niemand da, der sie hinschicken könnte. Komm, Dora, das gibt einen Spaß!«
    »Ich will aber nicht«, protestierte Dora.
    »Du musst«, sagte Davy. »Wenn du nicht mitkommst, erzähle ich Marilla, dass Frank Bell dich letzten Montag in der Schule geküsst hat.«
    »Dafür konnte ich nichts. Ich wusste ja nicht, was er vorhatte«, rief Dora und wurde puterrot.
    »Aber du hast ihm keine Ohrfeige verpasst und auch nicht wütend ausgesehen«, erwiderte Davy. »Das sage ich Marilla auch, wenn du nicht mitkommst. Wir nehmen die Abkürzung über die Wiese da.«
    »Ich habe Angst vor den Kühen«, wandte Dora ein und sah darin eine Möglichkeit, dem Ganzen zu entkommen.
    »Du und Angst vor den Kühen!«, spottete Davy. »Die sind doch jünger als du.«
    »Aber größer sind sie«, sagte Dora.
    »Sie tun dir nichts. Jetzt komm schon. Ist doch eine glänzende Idee. Wenn ich erst groß bin, schere ich mich sowieso überhaupt nicht mehr um die Kirche. Ich komme auch so in den Himmel.«
    »Du kommst höchstens in die Hölle, wenn du so weitermachst«, sagte Dora unglücklich und folgte ihm widerstrebend.
    Davy aber hatte keine Angst - noch nicht. Die Hölle war weit weg und das Vergnügen, mit den Cottons zum Angeln zu gehen, lag viel näher. Wenn bloß Dora nicht so feige wäre! Sie sah sich immer wieder um und machte ein Gesicht, als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Das vermieste Davy den Spaß. Zum Kuckuck mit den Mädchen!
    Die Cotton-Kinder spielten im Hinterhof und begrüßten Davy mit Freudengeschrei. Pete, Tommy, Adolphus und Mirabel Cotton waren allein zu Hause. Ihre Mutter und die älteren Schwestern waren fort. Dora war froh, dass wenigstens Mirabel da war. Sie hatte schon befürchtet, sie wäre das einzige Mädchen unter dieser Jungenhorde.
    »Wir gehen mit zum Angeln«, verkündete Davy.
    »Juhu!«, riefen die Cottons gellend. Sofort rannten sie los, um nach Würmern zu graben, wobei Mirabel mit einer Blechdose in der Hand allen vorausstürmte. Dora hätte sich am liebsten hingehockt und losgeheult. Wenn nur dieser elende Frank Bell sie nicht geküsst hätte! Dann hätte sie Davy Paroli bieten können.
    Natürlich trauten sie sich nicht, am Teich zu angeln. Dort hätten Kirchengänger sie womöglich gesehen. Also gingen sie an den Bach im Wald hinter dem Haus der

Weitere Kostenlose Bücher