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Anne in Kingsport

Titel: Anne in Kingsport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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cremefarbene gelbliche Seide mit hauchdünner Spitze. Es passt sagenhaft zu ihrem braunen Teint.«
    »So ein Kleid habe ich mir immer gewünscht«, sagte Tante Jamesina, »aber meine Mutter wollte nie etwas davon wissen. Wenn ich in den Himmel komme, werde ich mir als Erstes ein gelbes Seidenkleid mit Spitze machen.«
    Mitten in Annes schallendem Gelächter kam Phil in ihrem traumhaften Kleid die Treppe hinunter und betrachtete sich in dem langen ovalen Spiegel.
    »Ein günstiger Spiegel, und schon sieht man besser aus«, sagte sie. »Im Spiegel in meinem Zimmer sieht das Kleid grünlich aus. Bin ich so hübsch genug, Anne?«
    »Weißt du eigentlich, wie hübsch du bist, Phil?«, sagte Anne voll aufrichtiger Bewunderung.
    »Das schon. Aber das hatte ich eigentlich nicht gemeint. Sitzt alles richtig? Fällt der Rock auch gerade? Soll ich mir die Rose vielleicht etwas tiefer ins Haar stecken? Sie sitzt zu hoch, oder? Es sieht irgendwie schief aus.«
    »Alles ist genau richtig.«
    »Eins gefällt mir an dir besonders, Anne - du bist nie neidisch, nicht die Spur.«
    »Warum sollte sie neidisch sein?«, sagte Tante Jamesina. »Sie ist vielleicht nicht ganz so hübsch wie du, aber sie hat eine viel schönere Nase.«
    »Ich weiß«, sagte Phil.
    »Meine Nase war immer mein einziger Trost«, gestand Anne. »Meine Nase macht mir großen Kummer«, sagte Phil, »mit vierzig wird sie endgültig nach meiner Mutter gehen. Was glaubst du, wie ich mit vierzig aussehe, Anne?«
    »Wie eine alte verheiratete Matrone«, neckte Anne sie.
    »Nie«, sagte Phil und setzte sich gemütlich hin, um auf die Kutsche zu warten. »Joseph, du scheckiges Biest, wage nicht, auf meinen Schoß zu springen. Ich kann doch nicht von oben bis unten voller Katzenhaare zum Tanzen gehen! Nein, Anne, ich werde nicht wie eine alte Matrone aussehen. Aber verheiratet werde ich sicher sein.«
    »Mit Alec oder mit Alonzo?«, fragte Anne.
    »Mit einem von beiden schätzungsweise«, seufzte Phil, »falls ich mir je schlüssig werde.«
    »Das kann doch nicht weiter schwer sein«, schimpfte Tante Jamesina.
    »Ich bin nun mal so, Tante, und nichts kann daran etwas ändern.«
    »Du solltest langsam vernünftig werden, Philippa.«
    »Das wäre natürlich das Beste«, gab Philippa ihr Recht, »aber da entgeht einem viel Spaß. Was Alec und Alonzo angeht -wenn du sie kennen würdest, wüsstest du, warum mir die Wahl so schwer fällt. Sie sind beide gleich nett.«
    »Dann suche dir jemanden, der noch netter ist«, schlug Tante Jamesina vor. »Da gibt es doch diesen Jungen aus einem der höheren Semester, der dich so mag - diesen Will Leslie. Er hat so schöne große sanfte Augen.«
    »Sie sind eine Spur zu groß und zu sanft - wie Kuhaugen«, sagte Phil hart.
    »Was sagst du zu George Parker?«
    »Da gibt es nichts zu sagen, außer dass er immer wie frisch gebügelt und gestärkt aussieht.«
    »Dann Marr Holworthy. An ihm gibt es doch nichts auszusetzen.«
    »Wenn er reich wäre, wäre er nicht übel. Ich muss einen reichen Mann heiraten, Tante Jamesina. Das - und gutes Aussehen - das sind unabdingbare Voraussetzungen. Ich würde ja Gilbert Blythe heiraten, wenn er reich wäre.«
    »Ach, tatsächlich?«, sagte Anne ziemlich giftig.
    »Das finden wir gar nicht gut, obwohl wir es nicht auf ihn abgesehen haben, o nein«, machte Phil sich lustig. »Aber lassen wir so unangenehme Themen. Irgendwann werde ich heiraten, aber ich werde diesen schrecklichen Tag so lange es geht hinausschieben.
    Die Kutsche ist da. Ich fliege - bis dann, Herzchen.«
    Als Phil weg war, sah Tante Jamesina Anne ernst an.
    »Sie ist ja lieb und nett, aber meinst du, sie hat alle Tassen im Schrank?«
    »Oh, in ihrem Kopf ist schon alles in Ordnung«, sagte Anne und verbarg ein Lächeln. »Sie redet nur so daher.«
    Tante Jamesina schüttelte den Kopf.
    »Na, das kann ich nur hoffen, schließlich mag ich sie. Aber verstehen tu ich sie nicht - sie übersteigt alles. Sie ist so anders als alle, die ich kenne, und eben auch ganz anders als ich früher.«
    »Wie warst du denn, Tante Jimsie?«
    »Unberechenbar, meine Liebe.«

20 - Gilberts Antrag
    »Heute war ein stinklangweiliger Tag«, sagte Phil gähnend und streckte sich träge auf dem Sofa aus, von dem sie vorher zwei höchst empörte Katzen entfernt hatte.
    »Für uns vielleicht«, sagte Anne nachdenklich. »Für manch anderen war es bestimmt ein herrlicher Tag. Vielleicht hat heute irgendwer etwas Großartiges geleistet - oder ein großartiges Gedicht

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