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Anne in Windy Willows

Titel: Anne in Windy Willows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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entführt wirst, Elizabeth«, beruhigte ich sie.
    »Die Frau sagt, ich werde entführt, wenn ich alleine irgendwohin gehe oder mit einem Fremden rede. Aber Sie sind doch keine Fremde, nicht wahr, Miss Shirley?«
    »Nein, wir kennen uns schon immer«, sagte ich laut und bestimmt. Wie kann man ein Kind so verschüchtern!

Kapitel 4
    10. November
     
    Mein Liebster,
    eigentlich müsste ich Rebecca Dew hassen, sie war es nämlich, die meine Federspitze zu Grunde gerichtet hat, indem sie damit irgendwelche Rezepte schrieb, während ich in der Schule war. Es wird also auch diesmal keinen Liebesbrief geben, mein Liebster.
    Die Abende sind inzwischen so unangenehm kühl, dass ich einen kleinen Holzofen im Zimmer stehen habe. Rebecca Dew hat ihn mir heraufgebracht - dafür verzeihe ich ihr auch die Sache mit der Feder - und sie zündet ihn immer an, bevor ich aus der Schule komme. Ich habe noch nie so einen Ofen gesehen, er sieht aus wie ein kleiner frecher Hund auf seinen vier eisernen O-Beinen. Er strahlt eine wundervolle Wärme aus. Ich sitze gerade davor und wärme meine Füße daran, während ich auf meinen Knien schreibe.
    Neulich hatte Hardy Pringle alle, oder fast alle Leute von Summerside zum Tanz eingeladen - nur mich nicht. Rebecca Dew regte sich so darüber auf, dass ich froh bin, nicht in Dusty Millers Haut zu stecken. Wenn ich allerdings an Hardys schöne, dumme Tochter Myra denke, die in einer Prüfungsaufgabe schrieb, die Winkel eines gleichbe/n/gen Dreiecks seien gleich, dann vergebe ich dem gesamten Pringle-Clan. Letzte Woche sollte sie die Namen verschiedener Bäume aufschreiben und erwähnte dabei den Galgenbaum! Ich muss allerdings zugeben, dass solche Schnitzer nicht unbedingt Pringletypisch sind. Blake Fenton hat kürzlich einen Alligator als »eine große Insektenart« definiert. Das sind Glanzlichter im Alltag eines Lehrers!
    Heute Abend sieht es draußen nach Schnee aus. Ich mag diese Stimmung. Der Wind, der um den Turm bläst, macht mein gemütliches Zimmer noch gemütlicher. Heute wird wohl das letzte goldene Blatt von den Weiden fallen.
    Ich glaube, inzwischen haben mich die Eltern aller meiner Schüler einmal zum Essen eingeladen, und ich kann eingeweckte Kürbisse nicht mehr sehen, Gilbert! Hoffentlich werden wir nie welche in unserem Traumhaus haben!
    Als ich sie das erste Mal vorgesetzt bekam, schmeckten sie mir so gut, dass ich unvorsichtigerweise überall meine Vorliebe dafür verbreitete. Gestern Abend war ich nun bei Mr Hamilton eingeladen und Rebecca versicherte mir tröstend, dass Hamiltons nichts für eingeweckte Kürbisse übrig haben. Kaum setzte ich mich an den Esstisch, da sagte Mrs Hamilton fröhlich: »Ich hörte, Sie lieben Kürbisse über alles, und deshalb habe ich mir extra für Sie ein Glas von meiner Kusine in Lowvale mitgeben lassen. Wir selbst haben nämlich nie welche im Haus.« Und damit lud sie mir meinen Teller bis obenhin voll und gab mir anschließend auch noch den Rest mit. Du hättest Rebecca Dews Gesicht sehen sollen, als ich mit dem Glas Kürbisse nach Hause kam! Keiner hier mag sie und so haben wir das Glas im Dunkeln draußen im Garten vergraben.
    »Das behalten Sie aber für sich, ja?«, fragte Rebecca Dew besorgt. Seitdem sie nämlich herausgefunden hat, dass ich ab und zu eine kleine Geschichte für die Zeitung schreibe, lebt sie in der Angst - oder Hoffnung, wer weiß -, dass ich alles, was so auf Windy Willows passiert, als Lektüre veröffentliche.
    Am liebsten sähe sie es, wenn ich mal gründlich die Pringles aufs Korn nähme. Aber leider sind es die Pringles, die die anderen aufs Korn nehmen und sie und die Schule lassen mir sowieso kaum Zeit zum Geschichtenschreiben.
    Der Garten ist jetzt in der kalten Jahreszeit voller verdorrter Blätter und gefrorener Pflanzenstiele. Rebecca hat die Stammrosen mit Stroh und Kartoffelsäckchen abgedeckt, sodass sie in der Dämmerung wie Vogelscheuchen aussehen. Heute habe ich von Davy eine Karte mit zehn Küssen erhalten und außerdem einen Brief von Priscilla. Er war auf dünnes Seidenpapier mit matten Kirschblüten darauf geschrieben, das ihr »ein Freund aus Japan« geschickt hat. Dieser Freund wird mir so langsam verdächtig. Aber dein dicker Brief war natürlich die Krönung des Tages. Ich habe ihn viermal gelesen, wie ein Hund, der seinen Fressnapf bis zum Letzten ausschleckt! Zugegeben, das ist nicht gerade ein romantischer Vergleich, aber er ist mir eben gerade so eingefallen. Trotzdem - auch die liebsten

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