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Anne in Windy Willows

Titel: Anne in Windy Willows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Briefe sind einfach nicht alles. Ich möchte dich so gerne bei mir haben. Gott sei Dank, dass es nur noch fünf Wochen bis zu den Weihnachtsferien sind!

Kapitel 5
    An einem Novemberabend saß Anne verträumt am Turmfenster und schaute in die Dämmerung hinaus, als sie plötzlich Lust verspürte einen Spaziergang über den alten Friedhof zu machen. Sie war bisher nie dort gewesen, sondern ging abends immer lieber durch ihr Ahornwäldchen oder auf dem »Schlangenweg« zum Hafen hinunter. Aber jedes Jahr um diese Zeit, wenn alle Blätter von den Bäumen gefallen waren, hatte Anne das Gefühl, den Wald zu stören, nachdem er seine irdische Schönheit eingebüßt hatte.
    Heute war sie außerdem so niedergeschlagen und ohne Hoffnung, dass sie sich beinah auf den Friedhof freute. Er war »voller Pringles«, wie Rebecca Dew sich ausdrückte. Generationen von Pringles hatte man hier beerdigt, und auch die Nachkommen sollten dort ihre letzte Ruhe finden, so lange, bis »sich keine mehr hineinquetschen ließen.« Der Anblick so vieler Pringles, die nicht mehr in der Lage waren, irgendjemandem Ärger zu bereiten, würde ihr sicher gut tun, dachte Anne. Sie war an einem Punkt angelangt, wo sie das Gefühl hatte, tatsächlich am Ende ihrer Kräfte zu sein, was die Pringles betraf. Alles kam ihr mehr und mehr wie ein Alptraum vor. Der Feldzug, den Jen Pringle gegen sie unternahm, hatte seinen Höhepunkt erreicht. Vorige Woche hatte Anne die älteren Schüler einen Aufsatz schreiben lassen über »die wichtigsten Ereignisse der Woche«. Jen Pringle hatte hervorragend dabei abgeschnitten - die kleine Hexe war wirklich intelligent - aber es war ihr gelungen, in den Aufsatz eine versteckte Beleidigung einzuflicken, die eindeutig ihrer Lehrerin zugedacht war. Anne hatte sie daraufhin nach Hause geschickt und ihr gedroht, sie dürfte erst wieder kommen, wenn sie sich bei ihr entschuldigt hätte. Damit brach der Kampf zwischen ihr und den Pringles endlich offen aus und Anne zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Pringles den Sieg davontragen würden. Das Schulamt würde ganz sicher hinter ihnen stehen und sie bald vor die Wahl stellen, entweder Jen Pringle wieder aufzunehmen oder von ihrem Amt zurückzutreten.
    Anne fühlte sich elend. Sie hatte ihr Bestes getan und war sich sicher, dass sie es geschafft hätte, wenn sie nur eine gerechte Chance gehabt hätte.
    »Es ist nicht meine Schuld«, dachte sie. »Niemand wäre in der Lage, allein einer solchen Mauer aus Ablehnung und solchen Taktiken zu widerstehen.«
    Aber jetzt nach Green Gables zurückzukehren, würde ihre absolute Niederlage bedeuten. Mrs Lynde wäre entrüstet, die Pyes würden triumphieren. Sogar das Mitgefühl ihrer Freunde würde ihr Qual bereiten. Und wenn sich ihr Fehlschlag in Summerside erst einmal über Green Gables hinaus herumgesprochen hätte, wäre damit auch jede Möglichkeit, an einer anderen Schule eine Stellung zu bekommen, verbaut.
    Aber zumindest bei ihrem Theaterstück hatten die Pringles einen Rückschlag einstecken müssen, Anne dachte mit Schadenfreude daran. Sie hatte an der High-School einen Theaterklub gegründet und mit den Mitgliedern ein kleines Stück eingeübt, um von den Einnahmen ein paar gute Kupferstiche für die Schulräume zu kaufen. Sie hatte sich sogar überwunden und Katherine Brooke gefragt, ob sie ihr helfen wolle, weil sie offenbar überall sonst ausgeschlossen wurde. Doch schon bald bereute sie ihr Mitleid fast wieder, weil Katherine sich ihr gegenüber noch schroffer und sarkastischer verhielt als sonst. Zu allem Überfluss war sie es auch gewesen, die darauf bestand, Jen Pringle die Rolle der Königin Mary von Schottland zu geben.
    »Sie ist die Einzige auf der ganzen Schule, die diese Rolle spielen kann«, hatte sie behauptet, »keiner außer ihr strahlt diese Persönlichkeit aus.«
    Anne hatte da ihre Zweifel gehabt. Sie hielt Sophy Sinclair mit ihren haselnussbraunen Augen und ihrem vollen kastanienbraunen Haar schon vom Typ her für die Geeignetere. Aber Sophy war nicht Mitglied im Klub und hatte außerdem noch nie eine Rolle gespielt.
    »Solche Grünschnäbel können wir hier nicht brauchen. Und wenn wir keinen Erfolg haben, mache ich gar nicht erst mit«, hatte Katherine getobt, und Anne gab daraufhin nach. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass Jen ihre Rolle gut spielte. Sie war ein Naturtalent und mit ganzem Herzen dabei. Die Gruppe probte viermal die Woche und nach außen hin lief alles glatt. Jen zeigte so

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