Anne in Windy Willows
hatte. Trotzdem . ..
»Du hast gerade einen großen, fetten Wurm gegessen!«, kreischte Gerald in dem Moment. »Ich hab ihn genau in deinem Hals verschwinden sehen.«
Geraldine legte erblassend ihren Apfel nieder und es wurde ihr schlecht - sehr schlecht. Anne hatte alle Hände voll zu tun mit ihr, und als es schließlich Mittag war, beschloss Anne plötzlich, Gerald gegenüber Gnade walten zu lassen. Schließlich hatte ja Miss Drake keinen bleibenden Schaden davongetragen und sie würde sich sicherlich hüten, den Vorfall weiterzuerzählen - im eigenen Interesse.
»Findest du, Gerald«, fragte Anne aber doch in sanftem Ton, »dass du dich wie ein Gentleman benommen hast?«
»Nö«, meinte Gerald, »aber es hat Wahnsinnsspaß gemacht. Toll, wie ich angeln kann, was?«
Das Mittagessen, das Mrs Raymond schon vorgekocht hatte, schmeckte ausgezeichnet. Wenn auch ihre Erziehungsmethoden vielleicht zu wünschen übrig ließen, kochen konnte sie, das stand fest. Gerald und Geraldine stopften das Essen nur so in sich hinein, benahmen sich aber ansonsten nicht anders am Tisch als andere Kinder auch. Als Anne danach das Geschirr abwusch, brachte sie Geraldine sogar dazu, abzutrocknen, und Gerald erklärte sich bereit, das Geschirr in den Schrank zu räumen. Die zwei stellten sich sehr geschickt an, und Anne überlegte selbstgefällig, dass die beiden eigentlich nichts weiter brauchten als Verständnis und eine etwas festere Hand.
Kapitel 3
Um zwei Uhr kam dann Mr James Grand vorbei, der Vorsitzende des Treuhänderausschusses der High-School, und erklärte, er müsse etwas Wichtiges mit Anne besprechen. Auf Annes Frage, ob er sie nicht am Abend in Windy Willows aufsuchen könnte, erwiderte er, es sei ihm wegen einer Terminsache leider nicht möglich.
Mr Grand war auf seine Art eigentlich recht umgänglich, aber Anne fand bald heraus, dass er ein Mensch war, den man mit Samthandschuhen anfassen musste. Und Anne legte großen Wert darauf, ihn hinsichtlich der Neuausstattung der Schule auf ihrer Seite zu haben. Also ging sie hinaus zu den Zwillingen und bat: »Seid ihr so lieb und spielt einen Moment hinten im Hof, während ich kurz mit Mr Grand spreche? Es wird nicht lange dauern. Und am Nachmittag machen wir ein Picknick am Teich und ich zeige euch, wie man rote Seifenblasen macht, ja?«
»Schenkst du jedem von uns 25 Cent, wenn wir uns benehmen?«, fragte Gerald.
»Nein, mein Schatz«, sagte Anne fest. »Bestechen werde ich euch nicht. Ich weiß, dass ihr lieb seid, einfach weil ich euch darum bitte.«
»Also gut, wir werden lieb sein«, versprach Gerald feierlich. »Schrecklich lieb«, bestätigte Geraldine.
Möglicherweise hätten sie sogar ihr Versprechen gehalten, wäre nicht dummerweise Ivy Trent vorbeigekommen, während Anne im Salon mit Mr Grand sprach. Die Zwillinge hassten sie, weil sie immer brav war, nie etwas falsch machte und immer wie aus dem Ei gepellt aussah.
An diesem Nachmittag kam Ivy Trent nun ganz offensichtlich nur vorbei, um ihre schönen neuen Stiefel und ihre neue rote Haarschleife vorzuführen. Die Zwillinge selbst waren immer sehr zweckmäßig gekleidet, sodass Geraldine nie die Gelegenheit hatte, mit Ivy Trent mitzuhalten, die für jeden Nachmittag in der Woche ein anderes Kleid besaß. Mrs Trent pflegte sie in makellosem Weiß auszustaffieren. Das heißt, zumindest in dem Moment, wo Ivy das Haus verließ, war es noch makellos. Wenn ihr Kleid später nicht mehr ganz so makellos aussah, dann waren immer neidische Kinder aus der Nachbarschaft schuld daran.
Geraldine war neidisch. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als eine rote Haarschleife und weiße bestickte Kleider. Und was hätte sie um solche braune Stiefel mit Knöpfen gegeben! »Na, wie gefallen euch meine neuen Stiefel und meine neue Schleife?«, fragte Ivy in hochnäsigem Ton, als sie vor den beiden stand.
»Na, wie gefallen euch meine neuen Stiefel und meine neue Schleife?«, äffte Geraldine sie nach.
»Du hast dafür keine neuen Stiefel«, sagte Ivy.
»Du hast dafür keine neuen Stiefel«, quiekte Geraldine.
Ivy macht ein verwirrtes Gesicht. »Hab ich wohl. Siehst du’s nicht?«
»Hab ich wohl. Siehst du’s nicht?«, wiederholte Geraldine höhnisch. Die Idee, Ivy nachzuäffen, gefiel ihr bestens.
»Bezahlt sind die bestimmt nicht«, sagte Gerald.
Ivy Trent wurde wütend. »Sind sie wohl. Meine Mutter bezahlt immer ihre Rechnungen.«
»Meine Mutter bezahlt immer ihre Rechnungen«, flötete Geraldine.
Ivy fühlte
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