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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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alles für euch auf-geschrieben.«
    Der Priester trat ein. Er ging zum Tisch und starrte auf die Blätter.
    »Lest es, Wort für Wort. Jetzt sofort. Bezeugt es, damit mir nichts geschieht.«
    Der Priester und die Priesterin standen rechts und links von mir, der Priester nahm den Stapel vorsichtig hoch, um jedes einzelne Blatt gründlich zu studieren, obwohl er die Blätter nicht umwandte.
    »Ich habe schon einmal gelebt«, erklärte ich. »Sie verlangt eine Abrechnung oder Gefälligkeit von mir, ich weiß selbst nicht, was, aber sie existiert. Sie ist keine bloße Statue.«
    Sie starrten mich beide an.
    »Nun? Äußert euch. Schließlich kommen alle zu euch, um unterwiesen zu werden.«
    »Aber, meine Dame«, sagte der Priester, »wir können nichts davon lesen.«
    »Was?«
    »Es ist in der uralten, verschnörkelten Form der Bilderschrift geschrieben.«
    »Wie?«
    Ich starrte auf die Blätter. Und ich sah nur meine eigenen Worte, wie sie in einem bestimmten Rhythmus durch meine Hand, durch meine Feder, aus meinem Geist ge-flossen waren. Ich konnte meine Augen nicht dazu bringen, die Form der Buchstaben wahrzunehmen.
    Ich nahm die letzte Seite und las laut: »Ihr Lächeln war listig. Es erfüllte mich mit Angst.« Ich hielt ihnen das Blatt hin.
    Sie schüttelten ablehnend den Kopf.
    Plötzlich entstand hinter mir ein kleiner Aufruhr, und Flavius wurde hereingelassen: ganz außer Atem und rot im Gesicht. Er hatte meine Sandalen bei sich. Er sah mich an und lehnte sich, offensichtlich sehr erleichtert, gegen die Wand.
    »Komm her«, sagte ich.
    Er gehorchte.
    »Sieh dir mal diese Seiten an, lies sie; ist das nicht Latein?« Zwei Sklaven näherten sich scheu, wuschen mir hastig die Füße und banden mir die Sandalen um. Über mir stehend, begutachtete Flavius die Seiten.
    »Das ist alte ägyptische Schrift«, sagte er dann, »die älteste Form, die ich je zu Gesicht bekommen habe. In Athen würde man ein Vermögen dafür bekommen!«
    »Ich habe das gerade geschrieben!«, sagte ich. Mein Blick ging zuerst zu dem Priester, dann zu der Priesterin.
    »Ruft euren großen blonden Freund«, empfahl ich. »Holt ihn her. Den Gedankenleser, den, der die alten Schriften lesen kann.«
    »Das geht nicht, edle Dame.« Der Priester warf einen hilflosen Blick auf die Priesterin.
    »Warum nicht? Wo ist er denn? Er kommt wohl nur nach Einbruch der Dunkelheit?«, fragte ich.
    Sie nickten.
    »Und wenn er die Bücher kauft, all diese Bücher aus Ägypten, dann geschieht das auch bei Lampenlicht?«, wollte ich wissen. Aber ich kannte die Antwort schon.
    Sie sahen sich ratlos an.
    »Wo wohnt er?«
    »Edle Dame, das wissen wir nicht. Bitte, versucht nicht, ihn zu finden. Er wird kommen, sobald das Licht verblasst. Er wies uns gestern Abend darauf hin, dass Ihr ihm sehr viel bedeutet.«
    »Ihr wisst also nicht, wo er lebt.«
    Ich stand auf.
    »Nun gut«, sagte ich und nahm die Blätter an mich, meine Aufsehen erregenden antiken Schriftstücke.
    »Euer verbrannter Freund«, sagte ich noch im Hinausgehen, »euer mörderischer Bluttrinker, war er letzte Nacht hier? Hat er euch eine Opfergabe dagelassen?«
    »Ja«, antwortete der Priester. Er wirkte gedemütigt.
    »Edle Pandora, ruht Euch doch zuerst einmal aus, und nehmt ein wenig Nahrung zu Euch.«
    »Ja«, drängte auch mein treuer Flavius. »Ihr müsst essen.«
    »Kommt nicht in Frage«, wehrte ich ab, presste die Blätter an mich und ging durch die große Halle auf die Portale zu. Sie flehten mich an zu bleiben, doch ich ignorierte sie.

    Ich trat hinaus in die Mittagshitze, Flavius auf den Fersen. Der Priester und die Priesterin baten uns immer noch zu bleiben.
    Ich sah mit prüfendem Blick über den riesigen Marktplatz. Die seriösen Buchhändler hatten ihre Stände am linken hinteren Ende des Forums. Ich überquerte den Platz.
    Flavius bemühte sich, mit mir Schritt zu halten. »Herrin, bitte, was habt Ihr vor? Ihr habt den Verstand verloren.«
    »Das stimmt nicht, und du weißt es«, sagte ich. »Du hast ihn doch letzte Nacht gesehen!«
    »Herrin, wartet doch im Tempel auf ihn, so wie er es gesagt hat«, bat Flavius.
    »Warum? Warum sollte ich?«, fragte ich.
    Es gab zahlreiche Buchhandlungen, sie führten Manuskripte in allen Sprachen. »Ägypten, Ägypten!«, rief ich sowohl auf Lateinisch als auch auf Griechisch. Die vielen Käufer und Verkäufer erzeugten eine Menge Lärm. Plato gab es überall, auch Aristoteles. Ein ganzes Regal war gefüllt mit der Biografie des Kaisers Augustus, die

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