Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
Milliarden zum Fenster raus, aber für einen Taxischein haben sie keine 20 Euro mehr.« Der war dann ziemlich kleinlaut, der hat überhaupt nichts mehr gesagt, mir den Taxischein ausgestellt und eine halbe Stunde später war ich in der Notaufnahme.
Im Krankenhaus bin ich sofort unter das Messer gekommen. Gekannt haben mich alle vom Fernsehen her, ja, inzwischen bin ich wirklich bekannt wie ein »bunter Hund«. Der OP-Raum, der war ganz schön klein. Die Ärzte und Schwestern haben ja kaum Platz gehabt zum Hinstehen. Sie haben mir die Füße und die Hände angehängt und einen Tropf an die Ader gemacht. »Werd’ ich jetzt auch an der Gurgel aufgehängt?«, habe ich noch gefragt, aber dann war ich schon weg. So schnell geht das mit der Narkose.
Die haben mir die ganze Gallenblase rausgemacht. Und nachher haben sie gesagt, dass die schon viermal größer war als normal. In der Galle waren nur noch Wasser und Blut, bald wäre sie geplatzt und dann wäre es mit mir aus gewesen. Ich glaube, da gibt es schönere Arten zu sterben.
Drei Tage war ich dann im Krankenhaus. Der Alois hat daheim die Tiere versorgt und sich den Kaffee ausnahmsweise selber machen müssen, aber wie ich nach Hause gekommen bin, haben wir gleich alle restlichen Äpfel geerntet. Von wegen »drei Wochen lang schonen« – die Ärzte haben ja keine Ahnung, überhaupt keine.
Ein lautes Motorengeräusch, wie von einem stotternden Rasenmäher, unterbricht die Anni in ihrer Erzählung. Ein seltener Klang, weil man in Hilgenreith meist nur Hühner gackern oder den Fasan schreien hört. Würde man ein Hörspiel über den Einödhof der Sigls machen, dann müssten unbedingt enthalten sein: der hauseigene alte Traktor, die Hühner, der Fasan, das Schimpfen der Perlhühner, das Lachen der Anni und das Knistern des Ofens im Winter. Das ist Hilgenreith pur, so klingt nur dieser Ort.
Aber heute klingt es anders und Anni stürzt aus der Haustüre, um zu schauen, was los ist. Tatsächlich sieht sie den Alois als kleinen Punkt im Obstgarten mit dem Motormäher auf und ab gehen. Ein alter Mann mit einer blauen Schirmmütze, der angestrengt das vibrierende Ding vor sich herschiebt. Entschlossen packt sie ihre Sense und geht wie der leibhaftige Schnitter in Richtung Obstgarten den kleinen Hang hinunter.
Im Frühjahr muss das Gras zwischen den 55 Bäumen regelmäßig geschnitten werden. Um den Baum herum ist es zum Rasenmähen zu anstrengend, deshalb schneidet die Anni das Gras dort mit der Sense. Die großen Flächen gehören dem Alois mit seinem Motormäher. Eine harte, eine schweißtreibende Arbeit. Ruhestand? Nein, das einfache Leben beugt sich dem Zyklus der Jahreszeiten und ist voller Aufgaben und Pflichten. Der einzige Luxus, den sich Anni und Alois inzwischen leisten, ist Pause zu machen, wenn sie es brauchen. Wenn sie müde sind oder wenn es heiß ist, dann setzen sie sich hin und lassen fünfe gerade sein. Denn was nützt alles, alles Obst, Gemüse, die ganzen Hennen, wenn Anni und Alois nicht mehr gesund sind?
So sitzt der Alois, die Schirmmütze etwas hochgeschoben, mitten im Gras. Bei einer Zigarette und mit Panoramablick auf die Gipfel des Bayerischen Waldes erholt er sich und schweigt zufrieden vor sich hin. Bis die Anni sich – die Schweißperlen auf der Stirn – neben ihn hinsetzt und ihre Gartenschuhe mit hohem Schwung von sich wirft. »Rauchst du schon wieder eine?«, pfeffert sie ihm noch als Bemerkung hin, bevor auch sie zur Ruhe kommt.
»Wenn ich eine Arbeit habe, dann brauche nicht zu rauchen«, antwortet ihr der Alois gelassen. »Lieber würde ich sowieso Süßigkeiten essen«, überlegt er weiter, während er gedankenverloren in die Ferne blickt. Die Anni glaubt ihm kein Wort, die Sätze hat sie schon zu oft gehört. Sie studiert geistesabwesend die CDs, die sie letzte Woche zusammen als Abschreckung für die Vögel in den Bäumen aufgehängt haben. Die glitzernden Scheiben schaukeln leicht im Wind, ab und zu blinkt eine kurz auf, wenn die Sonne auf sie fällt. »Ja, jeder bringt sich selber um«, hat die Anni einen Geistesblitz. Und da der Alois nicht reagiert, setzt sie noch einen drauf: »Krank, wenn du wirst wegen dem Rauchen, dann gehörst du noch gehaut dazu.«
Längst hat der Alois seine Zigarette neben sich ausgedrückt. Ihm reicht es von Annis Vorträgen, obwohl er nach außen hin gelassen wirkt. »Wenn ich aufhören will, dann schenkst du mir wieder Tabak«, beendet er ihre Gesundheitsdebatte. Aber da Anni gern das letzte Wort
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