Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
hat, donnert sie ihm entgegen: »Wenn ich dir keinen Tabak gebe, dann kaufst du dir halt Zigaretten im Supermarkt!«
»Jaja«, seufzt der Alois, bevor er aufsteht. Gegen eine »Eiserne«, eine »Hoaglbuachene« ist schwer anzukommen. Auch wenn die oft selbst sehr unvernünftig ist. Besser ist, sich manchmal einfach aus dem Weg zu gehen. Und im Frühjahr und im Sommer ist das zum Glück wesentlich leichter als im Winter, wo es nur einen beheizbaren Raum auf dem Einödhof gibt. Kurz entschlossen wirft der Alois seinen Motormäher wieder an und sagt in seinem typischen Singsang-Ton: »Mittagszeit ist vorbei«, ergreift den Lenker und geht los, die nächste Reihe mähen. Eine langjährige Ehe oder auch nur sich selbst in einer Mittagspause zu verändern, das ist zu viel verlangt. Viel zu viel.
Ein heißer Tag
W ie schmeckt der Sommer in Hilgenreith? Etwas süß wie eine Himbeere, ein bisschen herb wie eine Brombeere und ungewohnt anders wie die chinesische Goji-Beere, die die Anni auch anbaut? Oder doch eher herb nussig wie Kohlrabi, süßlich wie eine Urmöhre oder saftig reif wie eine Tomate?
Immer gibt es im Sommer auf dem Einödhof etwas zu naschen: Seien es die reich behängten Johannisbeersträucher, der große Kirschbaum oder die fast zwei Meter hohen Himbeeren. In Annis Garten zu gehen, ohne sich etwas in den Mund zu stecken, geht in diesen Wochen einfach nicht. Allerdings herrscht bei den Kirschen ein kleiner Wettkampf zwischen Anni und Alois. Weil die Anni schon um 5 Uhr morgens aufsteht, ist sie immer die Erste am Kirschbaum. Genussvoll isst sie schon in der Früh die süßen roten Früchte, während der Alois erst Stunden später aus seinem Bett klettert. Spätestens beim Mittagessen allerdings fragt er erstaunt: »Sind denn heuer noch gar keine Kirschen reif?«, was die Anni mindestens seit zwei Wochen mit einem leichten undurchschaubaren Lächeln quittiert. Denn ihr Geheimnis verrät sie nicht, da lässt sie den Alois lieber auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Reife Kirschen bekommt auf dem Einödhof nur, wer gewieft genug ist.
Die Anni steht sowieso immer um 5 Uhr morgens auf, weil sie ihre Tiere versorgen muss. Jetzt, im Juli, hat sie in ihrem großen Stall ihren Hühnernachwuchs zu betreuen: Etwa fünfzig junge Hennen, die sie selbst aus Eiern nachgezüchtet hat, brauchen täglich frisches Wasser und Annis spezielle »Kleinkindnahrung« – eine selbst gemachte Mischung aus fein geschnittener Petersilie, Oregano, Brennnessel, Karotten und Eiern. Wenn es schönes, trockenes Wetter ist, macht die Anni sich sogar die Mühe, ihren ganzen »Kindergarten« mit speziellen Käfigen nach draußen zu transportieren und dort in die großen Laufkäfige, die der Alois geschreinert hat, an die frische Luft zu entlassen. »Bei mir müssen die Hennen den Himmel auf Erden haben«, davon ist die Anni überzeugt, auch wenn in einigen Wochen die meisten von ihnen durch ihre Hand den Tod finden werden.
Manche Leidenschaften brauchen eben Zeit, die beiden Leidenschaften der Anni, der Garten und die Hennen, brauchen Zeit und Platz. Die Einöde ist dabei ein Glücksfall, hier regt sich keiner auf über die vielen Tiere und die Hähne, die in der Frühe krähen. Auf den fünf Hektar kann die Anni tun und lassen, was sie will. Einsam fühlt sie sich dabei nie, denn im Sommer kommen täglich Besucher, die Gärtnertipps, Eier holen oder ihre 120 Apfelsorten bestaunen wollen. Bis zu siebenhundert sind es pro Jahr. Und auch Gartenvereine, Pomologen oder Professoren der landwirtschaftlichen Disziplinen schauen gern bei der Apfel- und Hühnerexpertin vorbei.
Nach der Stallarbeit verschwindet die Anni manchmal in den mannshohen Himbeeren hinter der Holzwand des Hühnerstalles. Dort steht sie dann mit ihrer türkisen, großblumigen Schürze, mit schmutzigen Füßen und mampft die süßen Früchte in sich hinein wie ein kleines Kind, das Angst hat, dass der Sommer zu schnell zu Ende geht. Neben ihr steht am Boden ein knallgelber Eimer, in den sie ab und zu auch Himbeeren wirft. Die grau getigerte Katze, das Mauckei, schleicht dabei um Annis Füße, in dem grünen Himbeerwald ist sie kaum zu sehen. »Wenn ich die Himbeeren jetzt nicht pflücke«, erzählt die Anni, während sie sich eine besonders große und prächtige in den Mund schiebt, »dann springen die Hennen fast einen Meter hoch und zupfen sie mit dem Schnabel runter, die Mistviecher.« Dafür sind ihr die Himbeeren doch zu schade und so füllt sie ihren Eimer randvoll
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