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Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Titel: Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Seidl , Stefan Rosenboom
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und 1970 der Hermann. Eigentlich hatten wir fünf Kinder, aber eines ist gestorben, das war eine Steißlage. Der ist unter der Geburt stecken geblieben, da war er hinüber. Die haben noch geschwind eine Nottaufe gemacht und ihn mit dem Notarzt nach Passau gefahren. Am dritten Tag haben sie mich angerufen, der Bub ist total geschädigt, er kommt nicht mehr zu sich. Was sie tun sollen? »Maschinen abschalten«, habe ich gesagt, »Maschinen abschalten! Lieber ist es jetzt hart, wenn er stirbt.«
    Das letzte Kind, der Hermann, der hat es ganz eilig gehabt. Am Tag seiner Geburt war ich schon zehn Tage über dem Termin. Meine Hebamme war gerade bei einer Wöchnerin im Dorf und hat zu der gesagt: »Ich muss schnell weiter, ich muss zur Siglin, bei der pressiert es langsam.« Da sagt der Mann der Wöchnerin: »Schau’ raus aus dem Fenster, da fahrt die Siglin auf dem Traktor vorbei.« Die Hebamme hat einen Riesenschrecken bekommen. Ich habe mich von ihr untersuchen lassen und sie hat gesagt: »Schau’, dass du heimkommst, sonst kriegst du das Kind auf dem Traktor.« Ich bin dann schnell nach Hause, habe mich gewaschen und umgezogen und die Hebamme ist mit dem Auto nachgekommen. Zehn Minuten später war der Bub da und zwei Stunden später bin ich wieder aufgestanden und habe meine Arbeit gemacht. Nach den fünf Geburten war aber Ruhe, da hat es mir gereicht.
    So beschließt die Anni ihre Reise in die Vergangenheit. Derweil ist der Alois aus der Speisekammer mit einer uralten schwarzen Aktentasche am Sofa angekommen und während die Anni noch erzählt hat, hat er angefangen, die Tasche auszuräumen. Große, filigran gezeichnete Pläne kommen zum Vorschein, die Bauvorhaben der letzten vierzig Jahre auf Hilgenreith. »1970 haben wir den Stall selber gebaut, das war alles meine Idee«, erzählt der Alois stolz. »Acht Meter mal neuneinhalb Meter, so groß haben wir den gebaut. Und eine Halle gleich dazu mit sieben Meter auf 18 Meter.« Einen Architekten hat der Alois, der nie eine Lehre machen konnte, damals nicht gebraucht. Denn das Bauen liegt ihm im Blut, er tüftelt gern, überlegt lange, aber meist mit Erfolg. Auch das große Silo für den Bauernhof hat der Alois gebaut.
    Überhaupt ist der Alois für alle Arbeiten rund um das Haus begabt: So hat er das Hausnummernschild fein säuberlich mit einer Schablone selbst gemalt, er macht Vogelhäuschen aus Holz, große Hühnerkäfige und Gartenbänke, die er auch selbst entwirft. Im Dorf ist er bekannt, weil man bei ihm Messer und Scheren schleifen lassen kann. Früher hatte er dafür noch einen alten Schleifstein aus Granit, ähnlich wie im Märchen »Hans im Glück«. Heute arbeitet der Alois mit einer komfortableren elektrischen Maschine, aber das Geschick für das Schleifen hat er sich schon als Kind erworben.
    Zu seinen Lieblingsstücken am Hof gehört ein alter rostiger Bagger neben dem Haus, der mehr an Recycling- kunst erinnert als an ein brauchbares Gerät. An ihm schraubt der Alois gern rum: »Ich habe alles selber gelernt«, erzählt der Meister-Heimhandwerker, während er den Keilriemen des Baggers auswechselt. Minutiös löst er alte Schraubenmuttern und legt sie ordentlich beiseite: »Im Dorf drin, da sind manche, die müssen immer gleich in die Werkstatt und das richten lassen. Aber ich will das selber rausfinden«, das gebietet seine Handwerkerehre, aber auch seine sparsame Ader.
    Sein klappriges Monstrum mit dem eigentümlichen Namen »Mengele-Bagger« ist über dreißig Jahre alt und ein richtiger Oldtimer. Ein Exemplar davon kann man sogar im Ersten Deutschen Baumaschinenmuseum bei Bamberg bewundern. Mit dem Bagger kann man theoretisch Mist aufladen und wegfahren, aber seit die Sigls keine Kühe mehr haben, ist der Mist immer weniger und der Bagger immer unnötiger geworden. »Ab und zu muss ich ihn ausprobieren, damit er nicht einrostet«, bemitleidet der Alois das riesige Ding. Und zum Test, ob der neue Keilriemen auch funktioniert, setzt er sich auf den Bagger und wirft ihn an. Ein Riesenlärm setzt ein, ein Knirschen, ein Rattern, ein Geächze: Der Mengele-Bagger geht wieder. »Da kannst du dich darennen, da oben«, bemerkt der Alois trocken, während die großen Greifer sich bereits in den Misthaufen bohren.
    Manchmal fährt der Alois auch mit dem Traktor in den Wald, weil die Sigls ein kleines Waldstück von einem Viertel Hektar besitzen. Dann macht er mit seiner neuen Kettensäge, die ihm die Anni zu Weihnachten geschenkt hat, Holz klein. Der Alois ist

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