Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
werden verpackt und kommen in den Supermarkt.« Ja, die war vielleicht sprachlos. Die hat kaum mehr Luft gekriegt. »Ja, dann kaufe ich hier auch keine Ente mehr«, hat sie gesagt, einen roten Kopf hat sie gehabt und ist schnell rausgegangen. Die anderen Leute vom Ort, die haben den ganzen Tag was zum Lachen gehabt.
In der Stube drinnen wartet schon der Alois, die Beine übereinandergeschlagen, auf dem Kanapee. »So, bist wieder fertig für heute«, begrüßt er seine Anni, die wie ein frischer Wind in die Stube pfeift, ihre alten Hausschuhe anzieht, das geköpfte Federvieh aus dem Gang holt und auf den Tisch legt. Das Wasser in dem riesigen Topf dampft inzwischen. Sechzig Grad muss es haben, um die Hühner abzubrühen. Und weil der Anni Thermometer zu umständlich sind, hat sie in den letzten Jahrzehnten gelernt, am Dampf zu sehen, wie heiß das Wasser ist. »Früher habe ich sogar mit der Hand reingelangt«, erzählt sie stolz. Sie ist eben eine Eiserne, eine, die sich durchgebissen hat im Leben. Wo andere frieren, jammern oder Angst bekommen, da lacht die Anni nur.
Endlich – die Wassertemperatur passt. Jetzt muss es schnell gehen, damit das Wasser nicht zu heiß wird auf dem mit Holz geheizten Herd. Entschlossen packt Anni ihre Zöglinge an den Haxen und lässt sie ein bis zwei Minuten in dem alten Topf baumeln, ohne sie loszulassen. Heißer Dampf steigt empor und es wird warm. Deshalb steht die Anni nur mit einem blauen T-Shirt und einem dünnen Rock vor dem Herd, der auf Hochtouren arbeitet. Um den Hals hat sie eine Paketschnur geschlungen, die eine selbst gemachte Plastikschürze festhält. Diese Schürze ist ein skurriles Unikum, entstanden aus einem festen, durchsichtigen Plastiksack. Erfinderisch hat Anni den Sack durchschnitten, vier Löcher reingebohrt und Paketschnüre festgemacht – fertig ist die Rupfschürze, die ihre Aufgabe erfüllt, auch wenn sie etwas seltsam aussieht.
Den Holzschemel, auf dem Anni steht, hat ihr der Alois geschreinert. Den braucht die Anni, die etwas klein geraten ist, um das schwere nasse Geflügel aus dem Topf heben zu können. »Alles, was wir brauchen, mache ich«, verteidigt der Alois sich, weil er wieder mal auf dem Sofa sitzt und der Anni beim Arbeiten zu schaut. Ja, für Holz- oder Metallarbeiten, da ist er immer zu haben, da ist er ideenreich und ausdauernd. Aber Federn rupfen, nein, das ist nichts für den Alois, den sensiblen Feingeist. Da reicht ihm das Zuschauen schon. Am liebsten würde er sich am Schlachttag sowieso in Luft auflösen, aber bei einem beheizten Zimmer im ganzen Haus ist das schwierig.
Anni sitzt jetzt auf dem Holzschemel, mit ihrer selbst gebastelten Schürze, und rupft mit geübten Griffen Feder für Feder in einen Plastikeimer. Eine Arbeit, die ihr schnell von der Hand geht. Da wird nicht gezögert, geplaudert oder Pause gemacht. Fleißig sein und zupacken – das ist Annis Welt. Eine Welt, in der aber auch Alois seinen Platz hat. Anni sieht einfach über seine Schwächen hinweg und so hält er es auch. Und so funktioniert diese Ehe wie in dem Spruch von Loriot: »Eine glückliche Ehe ist eine, in der sie ein bisschen blind und er ein bisschen taub ist.«
Schnell füllt sich der Eimer mit den braunen Federn. Die Bestzeiten von Anni im Rupfen – das hat sie selbst gestoppt – liegen bei drei Minuten für eine Henne, sieben Minuten für eine Ente, zwanzig Minuten für eine Gans. Vor allem bei letzterer muss Anni noch mit heißem Wachs nachhelfen, um alle Federstumpen sorgfältig zu entfernen. Eine Heidenarbeit, bei der es genau zugeht. Schnell und sauber rupfen, das kann nicht jeder. Genauso wenig wie das Schlachten. »Das Höchste war einmal, wie meine Eltern eine Henne schlachten wollten«, erzählt Anni amüsiert und macht es sich auf dem Schemel etwas bequemer. »Die haben um 7 Uhr früh angefangen und um 10 Uhr sind sie noch vor dem Hackstock gestanden, mitsamt der Henne. Dann haben sie sie wieder ausgelassen, weil die Henne jedem leidgetan hat.« Darüber kann sie noch heute laut lachen. Diese Gene hat die Anni nicht von ihren Eltern geerbt, da ist sie froh, während der Alois vom Sofa aus zustimmend nickt: »Die haben auch gedacht, was ich denke.« Anni hat das Schlachten auf jeden Fall von ihrem Großvater gelernt – mit acht Jahren, so erzählt sie.
Mit acht Jahren hat Anni so einiges Wichtiges erlernt: Mit acht hat sie Bäume veredeln, mit acht hat sie nähen, mit acht hat sie schlachten, mit acht Jahren hat sie auch kochen
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