Annie und der sinnliche Italiener
persönlich davon überzeugen konnte, dass er in Ordnung war.
„Rede dir das ruhig ein, wenn es dir hilft!“, knurrte sie unfreundlich und absolut nicht bereit, ihm in dieser schrecklichen Situation Trost zu spenden – so wie er ihn umgekehrt ihr offerierte.
Doch Luc verstand das sehr gut. Es war kein Wunder, wenn Annie ihm eine Mitschuld an dem Unglück gab, nachdem er sie überredet hatte, ihn auf das Weingut zu begleiten. Überredet? Er hatte sie moralisch unter Druck gesetzt und geradezu gezwungen , indem er darauf bestanden hatte, dass sie nicht nach England flog, bevor sie in eine Vernunftehe mit ihm einwilligte!
Und jetzt lag sein Sohn, der hinreißende kleine Kerl mit den dunklen Locken, den er nur von Fotos kannte, im Krankenhaus. Ohne den Trost und die Fürsorge seiner Mutter!
Angesichts der Rücksichtslosigkeit und Arroganz, die er an den Tag gelegt hatte, seit sie zufällig in dem Hotel am Gardasee zusammengestoßen waren, war es verständlich, dass Annie sich weiterhin rigoros weigerte, seinen Heiratsantrag anzunehmen.
Aber falls Oliver wieder ganz gesund würde …
Wenn er wieder gesund ist! korrigierte Luc sich sofort in Gedanken.
„Es tut mir leid.“
Überrascht hob Luc den Kopf und schaute direkt in Annies wundervolle blaue Augen. „Was sollte dir leid tun?“, fragte er rau.
Sie schnitt eine Grimasse. Sein brütendes Schweigen hatte ihr Zeit genug gegeben, um sich zu beruhigen und zu realisieren, dass sie ihre eigenen Schuldgefühle Oliver gegenüber völlig ungefiltert auf seinen bisher abwesenden Vater übertragen hatte. Sich vorzumachen, sie hätte Luc kein Nein entgegensetzen können, als er ihr vorschlug, ihn nach Venedig zu begleiten, hieße, sich selbst zu belügen.
Hatte sie nicht vielmehr gedacht, es würde ihr leichter fallen, Luc in Italien von seinen Heiratsplänen abzubringen als auf Balfour Manor, nachdem er seinen Sohn kennengelernt hatte? Denn dass er sie auf jeden Fall nach England begleiten würde, daran hatte er nicht den geringsten Zweifel gelassen.
„Meinen Frust an dir auszulassen, ist weder gerecht noch ändert es die gegenwärtige Situation“, bekannte sie offen.
„Wen sonst solltest du denn dafür verantwortlich machen?“, stieß er bitter hervor.
„Niemand“, erwiderte sie ruhig und neigte dann lauschend den Kopf. „Bitte sag mir, dass das die Ankündigung des Piloten war, dass wir gleich landen werden!“
Er nickte. „Genau so ist es. Die Landung steht kurz bevor.“
„Gott sei Dank!“, seufzte Annie aus vollem Herzen.
Die Landung, die Abfertigung auf dem Flughafen und die Fahrt mit dem von Luc bestellten Privatwagen zum Krankenhaus verliefen für Annie wie in einem dichten Nebel. Sie bemerkte kaum, dass Luc ganz fest ihre Hand hielt, während sie durch die langen Korridore eilten, bis zu der Station, die Tilly ihnen am Telefon genannt hatte.
Annies einziger Gedanke war, so schnell wie möglich zu ihrem Sohn zu kommen, um sich mit eigenen Augen ein Bild von seinem Zustand machen zu können.
Ihre Mutter, eine attraktive Lady Ende vierzig, erwartete sie bereits an der Eingangstür zur Station. Ihre angespannten Züge hellten sich auf, als sie Annie sah.
„Es geht ihm gut, Darling“, versicherte sie ihrer Tochter, die sich mit einem Schluchzer in die weit geöffneten mütterlichen Arme stürzte. Endlich durfte sie die lange zurückgehaltenen Tränen fließen lassen.
„Ist er wach?“, fragte Annie mit bebender Stimme. „Hat er Schmerzen? Kann ich …“
„Beruhige dich erst einmal ein wenig, bevor du zu ihm reingehst, Kind“, riet Tilly liebevoll. „Und ja, er ist wach und hat auch schon nach dir gefragt. Sei darauf vorbereitet, dass er einen Verband über der genähten Kopfwunde trägt und ein wenig benommen von den Schmerzmitteln ist, die der Arzt ihm verabreicht hat.“
„Ich muss ihn sehen!“, entschied Annie und löste sich von ihrer Mutter. Ohne Luc auch nur einen flüchtigen Blick zu gönnen, lief sie auf die Tür zum Krankenzimmer zu. Mit der einen Hand auf der Klinke verharrte sie kurz, wischte sich mit der anderen zweimal über die tränenfeuchten Wangen und atmete tief durch. Dann öffnete sie sanft die Tür und schlüpfte hinein.
Damit sah Luc sich plötzlich dem neugierigen Blick einer zierlichen, äußerst attraktiven Dame mit langem rotem Haar ausgesetzt, in der er unschwer Annies Mutter erkannte. Ihre roten Lippen kräuselten sich verdächtig. „Tut mir leid, meine Tochter verfügt für gewöhnlich über weit
Weitere Kostenlose Bücher