Annie und der sinnliche Italiener
als er sich zu seinem Sohn setzte. „Kann es sein, dass du heute eine Auseinandersetzung mit einem Pferd hattest?“, begann er in neckendem Ton, auf den Oliver sofort ansprang.
„Und ob!“, erklärte der Knirps fast prahlerisch. „Leider habe ich verloren.“
„Auch das hat man mir erzählt. Aber der Arzt hat versprochen, dass du eine tolle Narbe als Andenken zurückbehältst, wenn der Verband ab ist.“
Die Aussicht schien den Kleinen zunächst durchaus zu freuen, doch dann zog er ein Gesicht. „Ich wollte Mummy keine Angst machen.“
„So wie ich Mummys kenne, machen sie sich immer Sorgen“, versuchte Luc seinen Sohn zu beruhigen.
„Meine nicht“, kam es entschieden zurück. „Die ist lustig und lacht ganz viel.“
„Tatsächlich?“
Oliver nickte, verzog aber gleich darauf schmerzhaft das Gesicht. Luc hätte sich für seine unbedachte Frage ohrfeigen können. Offensichtlich musste er noch viel lernen!
„Mummy ist nur nicht fröhlich, wenn Granddad will, dass sie verreist. Sie würde nämlich am liebsten immer hier bleiben.“
Wie war das noch mit dem Kindermund und der Wahrheit?
Das Bild, das der Knirps von seiner Mutter zeichnete, war eines voller Liebe, Wärme und Lachen … verbunden mit einer ausgesprochenen Abneigung gegen Geschäftsreisen. Da er keine Erfahrung im Umgang mit Kindern besaß, überraschte und wunderte es Luc, dass Oliver in seinem zarten Alter bereits so viel Sensibilität bewies und die Vorlieben oder Abneigungen seiner Mutter dermaßen gut kannte.
Bewies das nicht eine unheimlich intensive Bindung zwischen den beiden?
„Aber so lange war sie jetzt doch gar nicht unterwegs“, warf er ein.
Oliver zuckte mit den Schultern. „Sie mag es trotzdem nicht“, beharrte er.
Genau das hatte Annie ihm auch gesagt. Und dass sie nur für ihren Vater arbeite, weil sie als alleinerziehende Mutter auf Betreuung für Oliver angewiesen sei, den sie natürlich bevorzugt in die Obhut ihrer Mutter gab. Etwas zu tun, was einem widerstrebte, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, war weit entfernt von dem Bild, das Luc sich von ihr als Oscar Balfours verwöhntem Prinzesschen gemacht hatte.
Das warf natürlich die Frage auf, wie Annie ihr Leben geführt hätte, wenn sie nicht vor viereinhalb Jahren schwanger geworden wäre.
Wenn ich sie nicht einfach ohne meinen Namen oder auch nur eine Nachricht zu hinterlassen, zuerst geschwängert und dann im Stich gelassen hätte! ging Luc mit sich selbst ins Gericht.
Seine innere Anspannung war so greifbar, dass Annie sich nach ihrer Rückkehr sofort fragte, was in der Zeit ihrer Abwesenheit vorgefallen sein mochte. Worüber hatten er und Oliver sich unterhalten?
„Ich habe dir einen Kaffee mitgebracht“, sagte sie leichthin und hielt ihm einen Becher entgegen, den sie ihm fast auf die Hose gekippt hätte, als sich ihre Finger flüchtig berührten. „Na, seid ihr beiden gut zurechtgekommen, während ich weg war?“, konnte sie sich dann aber doch nicht zu fragen verkneifen.
Da strahlte Oliver sie an. „Luc sagt, dass ich eine … eine tolle Narbe haben werde, wenn der Verband ab ist.“
„ Toll , ja?“, wiederholte Annie amüsiert und lächelte Luc unwillkürlich zu. „So etwas kann auch nur von einem Mann kommen!“
Als er ihr Lächeln erwiderte, hätte sie sich fast an ihrem Kaffee verschluckt. Verflixt! Warum musste er auch so unverschämt sexy aussehen, selbst in dieser aufreibenden Situation? Und warum musste sie ihn nur so sehr lieben? Könnte sie ihn hassen, wäre seine Nähe viel leichter zu ertragen.
Kurz darauf standen Luc und sie ein Stück abseits vom Bett, während die ältliche Krankenschwester ihren Patienten für die Nacht fertigmachte und Olivers Kissen aufschüttelte, bevor sie ihm die Tropfen gegen seine Wundschmerzen gab.
„Danke für den Kaffee“, sagte Luc, als sich ihre Blicke zufällig begegneten.
Annie nickte kurz, während sie mit einem Ohr das muntere Geplänkel zwischen Oliver und der Krankenschwester verfolgte.
„Wäre es dir lieber, wenn ich nicht über Nacht hierbliebe?“
Annie musterte ihn scharf. „Wie sähe deine Reaktion denn aus, wenn ich Ja sage?“
Ein schwaches Lächeln begleitete seine Antwort. „Dann würde ich deinen Wunsch selbstverständlich respektieren und mich zurückziehen.“
Ihre Augen weiteten sich ungläubig. „Wirklich?“
„Ich bin kein Monster, Annie.“
„Das habe ich auch nie behauptet.“
„Aber du denkst es“, entgegnete er grimmig.
„Mag sein“,
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