Annie und der sinnliche Italiener
zu müssen.
Angesichts der Tatsache, dass er gestern Nachmittag noch gar nichts von seinem derzeitigen Englandaufenthalt gewusst hatte, konnte dieser Geschäftstermin nach Annies Logik nur einem Zweck dienen!
„Vielleicht hast du ihn auch nur missverstanden, Darling“, versuchte Tilly ihre Tochter zu beschwichtigen, doch ihre eigene besorgte Miene besagte etwas anderes.
Annie warf ihrer Mutter einen prüfenden Blick zu. „So naiv kannst du nicht sein, Mummy! Du warst doch selbst ganze vier Jahre mit einem arroganten, selbstherrlichen Despoten verheiratet!“
„Ich erlaube dir nicht, so über deinen Vater zu reden. Außerdem hat Oscar nie auch nur eine Andeutung gemacht, mir meine Kinder nach unserer Scheidung wegnehmen zu wollen“, verteidigte sie ihren Exmann.
„Aber nur, weil er überhaupt nichts mit uns anzufangen gewusst hätte!“
Tilly schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Dein Vater ist mein bester Freund, Kind“, sagte sie vorwurfsvoll.
Seufzend ließ Annie sich in einen Armsessel fallen. „Ich weiß, Mummy. Tut mir leid, ich wollte dich nicht kränken, es ist nur …“ Sie stieß ein frustriertes Grummeln aus. „Ich habe Luc auf keinen Fall missverstanden, das kannst du mir glauben. Er war völlig klar und kalt bis ans Herz, als er mich vor die Entscheidung stellte, entweder seine Frau zu werden oder zuzusehen, wie er auf eine andere legale Weise zu seinem Sohn und Erben kommt – sprich, per Gerichtsurteil!“
Der Nachtspaziergang auf dem Krankenhausgelände hatte Luc nicht gerade in Plauderlaune versetzt. Während der Fahrt nach Balfour Manor hatte er sich ähnlich schweigsam und schwer zugänglich gezeigt wie in der Nacht davor. Und da auch Annie nach einer extrem kurzen Nacht keine Lust auf Small Talk gehabt hatte, war ihr das egal gewesen. Im Nachhinein fragte sie sich allerdings …
„Das würde dein Vater nie zulassen!“, verkündete Tilly vehement.
„In dem Fall könnte selbst er nichts dagegen tun, da Luc nun einmal Olivers Vater ist.“ Angesichts ihrer eigenen Hoffnungslosigkeit wünschte sie sich wenigstens eine Spur von dem unerschütterlichen Optimismus ihrer Mutter.
Doch je länger Annie über Lucs Anstrengungen nachdachte, seinen Sohn für sich zu beanspruchen, desto kraftloser und unsicherer fühlte sie sich in ihren Versuchen, ihm Widerstand zu leisten.
Was wieder die lieblose Vernunftehe ins Spiel brachte, die Luc daran hindern würde, die Gerichte einzuspannen …
Aber wie sollte sie einem Mann das Ja-Wort geben und mit ihm zusammenleben können, der sie nur als Werkzeug oder notwendiges Anhängsel einer möglichst stressfreien Familienzusammenführung akzeptierte, während sie ihn hoffnungslos liebte?
„Tja, genau darüber würde ich mich sehr gern mit dir unterhalten“, brachte ihre Mutter sich wieder in Erinnerung.
„Worüber?“, fragte Annie verwirrt.
Tilly hob bedeutungsvoll die fein geschwungenen Brauen. „Wie, um alles in der Welt, hast du Luca de Salvatore überhaupt kennengelernt, Darling? Geschweige denn …“, sie brach ab und hüstelte diskret.
„Mit ihm im Bett landen können?“, beendete Annie trocken den angefangenen Satz. „Ich habe wohl einfach Pech gehabt, würde ich sagen!“, brummte sie dann zynisch.
„Nicht gerade die schmeichelhafteste Charakterisierung, die ich bezüglich meiner Fähigkeiten als Liebhaber bisher erhalten habe“, meldete sich Luc kühl aus dem Hintergrund, womit er beide Frauen aufschreckte. In dem weißen Poloshirt zu der exquisiten schwarzen Designerhose wirkte er umwerfend frisch und attraktiv.
„Mrs Williams …“, begrüßte er die errötende Tilly mit einer nonchalanten Verbeugung. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, Ihre Tochter und mich einen Augenblick allein zu lassen?“
„Ich habe dir nichts zu sagen!“, giftete Annie, während ihre Mutter bereitwillig aufstand. Trotzig sprang auch sie auf die Füße und stellte sich mit vorgeschobenem Kinn vor Luc in Positur.
Dieser musterte Annie aufmerksam aus halb gesenkten Lidern. Dabei entgingen ihm weder die bleichen Wangen noch die schwarzen Schatten unter den übergroßen Augen, beides unzweifelhaft Resultate der unruhigen und viel zu kurzen Nacht.
Auch Luc hatte kaum ein Auge zugetan, denn trotz des langen Spaziergangs quälten ihn die ganze Zeit über schwere Gedanken, die sich einfach nicht abschütteln ließen. Dazu kam noch Annies fast greifbare, innere Anspannung, während sie beide schlaflos in der Dunkelheit lagen – einander so nah
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