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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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berühren.
    Sie duschte lange, allein. Ihr Körper kam ihr größer vor als sonst, aufgelöst, irgendwie langsamer. Die Tropfen fühlten sich auf ­ihrer Haut wie Nadeln an.
    Sie putzte das Badezimmer, scheuerte Reste von Erbrochenem aus der Toilette, polierte den Spiegel und wischte Wasch­becken und Boden sauber. Drüben im Schlafzimmer hörte sie Halenius auf Englisch telefonieren.
    Sie zog sich saubere hellblaue Jeans und einen Seidenpulli an. Ha­lenius beendete das Gespräch und begann gleich darauf ein neues. Sie ging ins Kinderzimmer und setzte ihre Aufräumaktion fort.
    Um zehn Minuten nach neun Uhr klingelte das Festnetztelefon, und Annikas Herz blieb stehen.
    Sie rannte ins Schlafzimmer, an Halenius vorbei und rollte sich auf dem ungemachten Bett zusammen. Halenius bewegte sich ruckartig und konzentriert. Er startete das Aufnahmegerät, kontrollierte das Codewort, seine Notizen und Stifte, er schloss die Augen, atmete tief durch und nahm den Hörer ab.
    »Hallo? Yes, this is Jimmy .«
    Er war ganz weiß um den Mund, seine Augen jagten hin und her.
    »Ja, wir haben die Sache mit der Hand gehört.«
    Er verstummte und kniff die Augen fest zusammen, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Seine Schultern waren stocksteif.
    »Doch, ich weiß, dass wir bezahlen müssen, es ist …«
    Er brach ab und schwieg einen Moment. Aus dem Hörer quäkte die piepsige Stimme des Entführers.
    »Sie hat das Lösegeld zusammenbekommen, aber die Summe liegt weit unter …«
    Wieder Stille.
    »Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Halenius, »aber Sie müs­sen auch versuchen, es aus ihrer Perspektive zu sehen. Sie hat jede einzelne Öre vom Versicherungsgeld abgehoben, hat sich von allen Freunden und Verwandten so viel geliehen, wie sie konnte, mehr gibt es nicht …«
    Erneutes Schweigen, Gequäke.
    »Wir wollen ein proof of life. Doch, das ist absolut Bedingung.«
    Sie bemerkte, dass ihm Schweiß auf die Stirn trat, ihr war nicht bewusst gewesen, wie anstrengend und unangenehm diese Gespräche für ihn sein mussten. Eine große, übermächtige Zärtlichkeit überkam sie. Er musste das alles nicht tun, aber er tat es. Wie sollte sie das jemals wiedergutmachen?
    »Sie haben ihm die Hand abgehackt. Woher soll ich wis­sen, dass Sie ihm nicht auch noch den Kopf abgeschlagen haben?«
    Halenius’ Stimme war neutral, aber seine Hände bebten. Sie konnte den Entführer lachen hören, dann antwortete er.
    Halenius sah zu ihr auf.
    »Sie soll ihre Mails checken? Jetzt?«
    Er nickte ihr zu und zeigte auf den Computer, in ihren Fingern kribbelte es, und sie robbte über die Matratze zum Schreibtisch, drehte seinen Computer zu sich und öffnete über Internet ihr Mailpostfach bei der Zeitung. Sie klickte auf »Senden/Empfangen«.
    Vier neue Nachrichten wurden in den Posteingang geladen, die letzte stammte von unknown . Sie spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte, und öffnete die Mail.
    »Sie ist leer«, flüsterte sie.
    »Leer? Aber …«
    »Warte, da ist ein Anhang.«
    »Mach ihn auf«, sagte er leise.
    Es war ein unscharfes, dunkles Foto. Thomas lag auf dem Rücken auf einem dunklem Untergrund, sein Kopf war so zur Seite gedreht, dass sein feingeschnittenes Profil sichtbar wurde, seine Augen waren geschlossen. Es sah aus, als schliefe er. Erleichterung und Wärme stiegen in Annika auf, ein Anflug von schlechtem Gewissen streifte sie, und dann sah sie den Stumpf. Wo seine linke Hand hätte sein sollen, endete der Unterarm auf dem Boden. Ihr Atem stockte, ein kurzer und heftiger Luftstoß. Instink­tiv wich sie vom Bildschirm zurück.
    »Das hier ist ja wohl kein proof of life «, sagte Halenius in den Hörer. »Er sieht vollkommen leblos aus.«
    Der Entführer gab ein langes und schallendes Lachen von sich, sein helles Gezwitscher verteilte sich in ihrem Schlafzimmer, und sie stand auf, um das Fenster zu öffnen und es hinauszulüften.
    Draußen war es kühl, aber nicht eiskalt. Wankelmütige Schnee­­flocken, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie fliegen oder fallen sollten, hingen in der Luft. Die Dämmerung hatte sich ergeben, inzwischen war es dunkler als beim Aufwachen.
    Sie drehte sich um. Die Kälte umschloss sie von hinten.
    Halenius, vorgebeugt, lauschte wieder in den Hörer.
    »Es ist ihr gelungen, eine Million und 100 000 Dollar zusammenzukratzen. Genau. 1,1 Millionen.«
    Stille breitete sich aus. Selbst der Entführer am anderen Ende der Leitung wartete. Dann sagte er etwas, ein helles Stakkato.
    Halenius

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