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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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habe ihm gesagt, seine somalischen Brüder hätten versucht, unser Auto um­zukippen, und wir seien gezwungen gewesen weiterzufahren, um sein Geld zu retten. Das hat ihn ein bisschen beruhigt.«
    Er hatte die Kiefer aufeinandergepresst, er schwitzte und war vollkommen ablehnend, so hatte sie ihn noch nie gesehen.
    »Entschuldigung«, sagte sie.
    Er holte mit dem Arm aus.
    »Warum musstest du auch filmen?«, schrie er. »Hast du keinen An­stand am Leib? Begreifst du nicht, was hätte passieren können?«
    Sie schluckte schwer, entschlossen, nicht zu weinen.
    »Es war keine Absicht.«
    »Du hast uns in die Scheiße geritten. Wir müssen nach Norden.«
    Er ging zum Wagen. Frida folgte ihm, mit der Rechnung in der Hand.
    »Der Verkehr ist schrecklich«, sagte sie. »Das hier kann auf jeden Fall dauern.«
    »Wohin müssen wir?«, fragte Annika.
    »Wilson Airport«, sagte Frida hinter ihr.
    Annika warf Halenius einen fragenden Blick zu. Er wandte sich zu ihr um. Sein Gesicht glühte von der Sonne.
    »Wir müssen nach Liboi«, sagte er. »Der Geiselnehmer hat ver­langt, dass wir noch heute Nacht fliegen, aber ich konnte ihn noch davon abbringen. Bis morgen früh müssen wir einen Flug or­ganisieren.«
    »Liboi?«, flüsterte Annika.
    Sie sah Google Earth vor sich, die unendliche Ödnis, die verbrannte Erde.
    »Es gibt keine Linienflüge dorthin«, sagte Frida. »Ihr müsst ein Privatflugzeug chartern.«
    »Ich habe aber kein Geld mehr übrig«, flüsterte Annika.
    »Du hast nach wie vor Zugang zu meinem Konto«, sagte Frida und stieg ein.
    Der Verkehr stand still. An den Straßen standen Menschen in der Dunkelheit. Zitternde Schatten, die im Scheinwerferlicht vorüberzuckten. Annika versuchte, das Bild über den vorbeiflie­genden Moment hinaus festzuhalten.
    Die Dunkelheit hüllte sie ein wie eine Decke. Weit entfernt blinkten einsame Lichter. Schwüle Luft schoss durch die offenen Seitenfenster herein, drückte den Puls ins Bodenlose.
    Sie rollte sich auf dem Sitz zusammen und schlief ein.
    Als sie aufwachte und die Augen aufschlug, starrte sie ins Gesicht eines großen Leoparden. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff, dass es eine Statue war.
    »Hey«, sagte Halenius und strich ihr über das verschwitzte Haar. »Wir sind da.«
    Sie setzte sich auf und blickte sich im Dunkeln um. Hinter tro­pischen Gewächsen leuchtete eine Lampe, und von einem ­alten Haus mit Glasveranda strömte ihr warmes Licht entgegen.
    »Entschuldige bitte«, sagte er. »Es war nicht richtig, dass ich alles an dir ausgelassen habe.«
    »Wo sind wir?«
    » Karen Blixens Coffee Garden . Ihre alte Farm ist inzwischen ein Hotel. Ich kenne Bonnie, die Besitzerin. Kannst du meine Tasche tragen, dann nehme ich die hier …«
    Er zeigte auf die Dollar-Taschen.
    »Wo ist Frida?«
    »Sie organisiert uns Zimmer, dann fährt sie nach Hause.«
    Annika stieg aus dem Wagen und blieb dann plötzlich stehen.
    »Der Flugplatz! Wir müssen ein Flugzeug chartern!«
    »Ist schon geklärt«, sagte Halenius und stellte die Geldtaschen in den Kies. Die Handgriffe knarzten. »Wir haben einen Deal mit einem Bekannten von Frida.«
    Sie griff nach Halenius’ Tasche. Sie wog so gut wie gar nichts. Dann betraten sie das alte Haus, das ebenso gut in Sörmland oder im Österlen hätte stehen können: dunkles Fischgrätparkett, weiße Wandpaneele und eine Glasveranda mit farbigen Scheiben.
    »Hat Karen Blixen hier gewohnt?«, flüsterte Annika.
    »Es war wohl eigentlich das Haus des Vorarbeiters, aber Karen hat über einen längeren Zeitraum ebenfalls hier gelebt«, sagte Halenius und verschwand irgendwo nach links.
    Die Dunkelheit vor dem Fenster war feucht und kompakt. Annika stand mitten im Raum und starrte eine alte Orgel an, die an der einen Längswand stand. Die Tasten waren mit den Jahren braun geworden, wie ungeputzte Zähne. Sie streckte die Hand aus, um den Klang zu hören, aber ein paar Zentimeter vom In­strument entfernt verharrte sie mit der Hand in der Luft. Wollte sie es wirklich wissen? Konnte sie sich überhaupt vorstellen, welche Melodien sich hinter dem Blasebalg und den Tasten verbargen? Oder gab es nur Schreie und Armut?
    Aus dem Inneren des Hauses tauchte Halenius auf. Er hielt einen altertümlichen Schlüssel in der Hand.
    »Die geht nicht«, sagte er und nickte zur Orgel hin. »Und sie gehörte auch nicht Karen. Bonnie hat sie geschenkt bekommen.«
    Er griff nach den Geldtaschen, wankte ein wenig unter der Last und verschwand in der Nacht.

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