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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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es noch keine Revolte, aber weiß der Henker, wie das endet«, sagte Schyman.
    Schweigend las Sjölander einige Pressemeldungen.
    »Der Rebellenbewegung fehlt eine Galionsfigur, seit bin Laden tot ist«, sagte er und sank wieder auf den Besucherstuhl. »Der Typ hier könnte das Zepter übernehmen.«
    Skeptisch holte Schyman Luft.
    »Meinen Sie? Den kennt doch keiner, nicht mal die Jungs in Langley. Heilige Krieger tauchen normalerweise nicht aus dem Nichts auf. Bin Laden war Lehrling von Abdullah Azzam, er hat im Krieg zwischen der Sowjetunion und Afghanistan Schlachten angeführt, bevor er al-Qaida gegründet hat …«
    Sjölander schob sich eine Portion Snus-Tabak unter die Oberlippe.
    »Der Typ könnte auch ein Krieger sein«, sagte er. »Dass wir noch nie von ihm gehört haben, bedeutet doch gar nichts. In Afrika gibt es haufenweise bewaffnete Konflikte, für die sich keiner auch nur ansatzweise interessiert. Und die Rhetorik muss er ja irgendwo gelernt haben.«
    »Ich habe vorhin die EU -Kommissarin im Fernsehen gesehen«, sagte Schyman. »Sie scheint nicht besonders geneigt zu sein, Frontex abzuschaffen.«
    Sjölander gluckste und pulte an dem Snusklumpen unter seiner Lippe.
    »Das wäre ja auch ein Witz. Frontex ist doch ihre Basis, und das zu Recht. Stellen Sie sich mal das Chaos im Mittelmeerraum während der Revolten in Nordafrika ohne die Seepatrouillen von Frontex vor. Mann, da wären Sie auf dem Flüchtlingsstrom trockenen Fußes rüber nach Libyen gekommen. Es ist für uns alle ein verdammtes Glück, dass die Kommissarin mit so harten Bandagen kämpft.«
    Ein Johlen draußen in der Redaktion ließ Schyman und Sjölander aufschauen.
    Patrik steuerte auf das Aquarium zu und schwenkte über dem Kopf einen Computerausdruck wie eine Fahne im Krieg.
    »Ihr glaubt es nicht«, rief er und riss die Glastür auf. »Wir haben eine ermordete junge Mutter auf einem Fußweg in Sätra. Mit einem Messer im Nacken.«
    *
    Meine erste Erinnerung ist das Meer. Ich schaukelte darin, lag darin wie in einer Wiege. Weiße Wolkenfetzen glitten über mich dahin, ich lag auf dem Rücken in einem Körbchen und schaute zu ihnen hinauf, ich fand, dass sie lustig aussahen, und ich wusste, dass ich auf dem Meer war. Ich weiß nicht, wie alt ich gewesen sein mag, aber mir war bewusst, dass ich mich in einem Boot befand, warum auch immer. Vielleicht war es der Geruch von Brackwasser, das Geräusch der Wellen, die gegen den Rumpf schlugen, oder das Licht, das sich in der Wasseroberfläche brach.
    Die Erinnerung reichte bis in die Dunkelheit der Wellblechhütte. Die Brandung dröhnte, und um meine Füße schlangen sich Algen.
    Ich habe vergessen, wie sehr ich das Meer liebe.
    Aus irgendeinem Grund brachte dieser Gedanke mich zum Weinen.
    Ich habe so viel versäumt, so viel Liebe und Freude.
    Wie oft habe ich Verrat begangen? Und nicht an mir selbst, wie ich mir einbildete, sondern auch an allen, die mir nahestanden.
    Und ich habe von dem Geld erzählt, Annika. Ich weiß, dass du geplant hast, es in eine Wohnung zu investieren, aber ich hatte so schreckliche Angst, und meine ganze rechte Seite, in die er mir die Fußtritte versetzt hat, tut so weh. Ich weiß, dass du von der Versicherungssumme für uns alle eine Zukunft schaffen wolltest, aber du musst mir helfen, Annika, o Gott, ich halte das hier nicht länger aus, hilf mir … hilf mir …
    Und plötzlich war ich wieder auf dem Meer, im Boot unterwegs nach Gällnö, in der alten Jolle, die mein Vater von Onkel Knut geerbt hatte. Das Segel roch nach Waschmittel und flatterte im Wind. Hinter mir verschwanden der Steg und der Schotterpfad in den Ort, der ungestrichene Kuhstall, der verrostete Bootsschuppen. Die niedrigen rotgrauen Häuser, die sich aneinanderlehnten, um Schutz vor dem Wind zu finden. Die grauen Klippen, die vielen Kiefern und die Schreie der Möwen in der Luft. Der Bauernhof Söderby gård, die Wiesen und Gärten, Kühe auf der Weide und Fliegen, die den Himmel bedeckten. Ich schaukelte dem Horizont entgegen, weich und endlos, und spürte, wie meine Tränen am Kinn trockneten.
    Draußen brannte langsam das Feuer der Bewacher nieder. Einer von ihnen schnarchte. Es war so kalt. Ich fror wie ein Schneider. Bekam ich Fieber? Hatte die Malariamücke Anopheles gambiae ihren Parasiten in meine Leber gesetzt? Waren das schon die ersten Symptome?
    Ich fing wieder an zu weinen.
    Ich hatte solchen Hunger.
    Abends hatten sie mir Ugali mit einem Stück Fleisch gegeben, aber im

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