Anonym - Briefe der Lust
ähnliches Hemd, allerdings mit braunen Streifen. Er sah nicht halb so gut aus.
Kira grub ihre Fingernägel in die Haut meines Ellbogens. Das tat weh, und ich schüttelte ihre Hand ab. „Wie geht’s?“, wandte ich mich an Austin.
„Gut. Es geht mir gut.“ Sein Blick glitt in Kiras Richtung und kehrte zu mir zurück. „Lange nicht gesehen.“
„Ich war längere Zeit nicht zu Hause“, erklärte ich, obwohl mein Zuhause jetzt ein Apartment in der Front Street war und kein Trailer und auch kein gemietetes Haus in Lebanon mehr.
„Klar. Ich weiß. Hi, Kira. Wie du siehst, habe ich es geschafft.“
Mir wurde ganz kalt. Ich starrte sie an, aber Kira tat ihr Bestes, meinen Blick vollkommen ausdruckslos zu erwidern. „Was?“
Sie hatte ihm gesagt, dass wir hier sein würden. Ich wusste es. Ich konnte es von ihren Gesichtern ablesen. Und ich fragte mich, wie er sie dazu gebracht hatte, es ihm zu verraten. Ich überlegte, ob ich mich nicht umdrehen und die Bar verlassen sollte, und der einzige Grund, weshalb ich blieb, war die Tatsache, dass er mich ansah. Und nicht sie.
Kira bemerkte es ebenfalls, und sie musterte mich aus schmalen Augen. Ich hielt es für möglich, dass sie das hier arrangiert hatte, um mitzuerleben, wie wir uns in die Haare gerieten, aber den Gefallen würde ich ihr nicht tun. Die Zeiten waren vorbei. Als Austins Freund sie anlächelte, wandte sie ihm ihre Aufmerksamkeit zu. Es half, dass er ein schnuckeliger Typ war. Nicht so schnuckelig wie Austin, aber, im Ernst, wer konnte mit ihm mithalten? Wer hatte das jemals gekonnt?
„Was wollt ihr trinken?“ Austin hielt bereits seine Brieftasche in der Hand.
Ich hatte nicht vor, eine Einladung zum Drink abzulehnen, auch nicht, wenn sie von ihm kam. „Margarita.“
„Ich nehme einen hübschen, romantischen Sex on the Beach.“ Kira beugte sich weit vor, damit er sie hören konnte, und streifte mit ihren Lippen sein Ohr.
Austin lehnte sich ein wenig zurück, jedoch nicht so weit, dass Kira es bemerkt hätte. Doch ich sah es. Er stellte uns beide seinem Freund Ethan vor, dem es gelang, seinen Blick lange genug von Kiras Busen loszureißen, um mir ohne eine Spur von Erkennen zuzunicken. Nun, was hatte ich von ihm erwartet? Dass er sagen würde: „Oh, das ist Paige?“
„Und was machst du zurzeit?“, wollte Austin von mir wissen, während Kira und Ethan einander anstarrten.
„Ich arbeite für Kelly Printing.“ Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen hatten, war ich noch damit beschäftigt gewesen, mein Studium abzuschließen. Nebenbei hatte ich bei einigen wohlhabenden Leuten als Kindermädchen gearbeitet. Ich fragte ihn nicht danach, was er machte, weder beruflich noch hier in Harrisburg. Ich wollte nicht, dass er dachte, ich würde mich dafür interessieren.
„Wie geht es deiner Mutter?“ Austin stützte sich mit einem Arm auf die Bar und rückte näher an mich heran. „Arbeitet sie immer noch für Hershey? Und hat sie noch ihren Laden? Ich bin schon länger nicht mehr dort gewesen.“
Meine Mutter besitzt einen kleinen Sandwich-Laden, den sie von ihrem Dad geerbt hat, als ich noch zur Highschool ging. Ich hatte fast mein ganzes Leben in diesem Geschäft gejobbt. Als Kind hatte ich zunächst Botengänge erledigt und später gelernt, Sandwiches zu machen und die Kasse zu bedienen. Jetzt sprang ich nur noch ein, wenn sie einen großen Auftrag vorbereiten und ausliefern musste, oder wenn sie das Catering für eine Party übernommen hatte.
„Den Laden hat sie noch. Aber ihren Teilzeitjob bei Hershey hat sie verloren.“
Austin nickte. „Ich arbeite für McClaron and Sons.“
Ich hatte keine Ahnung, wer oder was McClaron and Sons waren, aber die Tatsache, dass er für jemand anders als seinen Vater arbeitete, erstaunte mich genug, um spontan zu fragen: „Und was ist mit deinem Dad?“
Austin zuckte mit den Schultern, dann zog er eine Grimasse, und nur weil ich ihn früher einmal ebenso gut wie mich selbst gekannt hatte, bemerkte ich sein Zögern. „Es wurde Zeit für mich, mir einen anderen Job zu suchen.“
„Aber die Arbeit ist dieselbe, nicht wahr? Baugewerbe?“, mischte Kira sich ein.
„Klar, und dazu noch ein paar andere Sachen“, erwiderte Austin, verriet aber keine Einzelheiten.
Interessant. Genau wie ich im Laden meiner Mutter, hatte Austin von klein auf in der Firma seines Vaters gearbeitet – während der Sommerferien und nachmittags nach der Schule. Es schien beschlossene Sache zu sein, dass er die Firma
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