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Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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Besuchszeit geben, aber sie lächelte nur, nannte mir die Zimmernummer und deutete in die Richtung, in die ich gehen musste. Mein Magen zog sich noch mehr zusammen. Wenn es meiner Mom wirklich gut gegangen wäre, hätten sie mich bis zum Morgen warten lassen. Das hätte mich zwar geärgert, da ich extra hergefahren war, aber es hätte bedeutet, dass sie wieder gesund werden würde.
    Diese Beruhigung hatte ich nun nicht.
    Sie sah sehr klein aus in ihrem Bett. Und blass, ohne ihre vielen Schichten Make-up. Ihre Haare waren nicht zurechtgemacht oder auch nur gekämmt, sondern lediglich zu einem hoch angesetzten Pferdeschwanz zusammengefasst. Sie schlief. Draußen im Flur piepten Maschinen, und irgendetwas bewegte sich quietschend an der Tür vorbei, während ich dastand und sie anstarrte.
    Ihr Atem rasselte, und ich zuckte bei diesem Geräusch zusammen. Wenn ich hinüber zum Bett ging, weckte ich sie möglicherweise auf. Ich wusste nicht, ob sie überhaupt aufwachen konnte.
    Ihre Lider öffneten sich flatternd, als ich mich auf den Stuhl neben dem Bett setzte. „Paige.“
    „Hi, Mom.“ Ich rückte näher. Unter der Decke wölbte ihre Brust sich stärker, als es normal gewesen wäre. Es gelang mir nicht, den Blick abzuwenden.
    „Begutachtest du meinen neuen Vorbau?“ Die Stimme meiner Mom brach, und sie atmete langsam und mühsam ein.
    „Warum hast du es mir nicht gesagt?“
    Ein paar endlose Minuten wartete ich auf ihre Antwort. Sie schloss die Augen. Als ich schon dachte, sie sei wieder eingeschlafen, leckte sie sich über die Lippen und hustete.
    „Das tut verdammt weh“, stieß sie hervor.
    Ich fragte sie nicht noch einmal. Der Moment für Fragen und Beschuldigungen würde kommen, und ich war sicher, wir würden genug Zeit haben. Meine Mom schlug wieder die Lider auf. Dann schloss sie sie erneut, nur um sie eine Sekunde später wieder zu öffnen. Sie lächelte. „Paige.“
    Ich nahm ihre Hand. „Mom. Was geht hier vor, verdammt noch mal?“
    „Wir reden“, erwiderte sie vorsichtig und richtete ihren Blick auf die Plastiktasse, die auf ihrem Nachttisch stand. „Kannst du mir Wasser einschenken. Ich sterbe.“
    Vor Entsetzen erstarrte ich, die Hand auf halbem Weg zur Tasse. „Mom!“
    „Pst“, machte sie.
    „Mom. Du stirbst nicht!“
    „Ich sterbe vor Durst. Gib mir was zu trinken, um Himmels willen.“ Sie runzelte die Stirn. „Oder muss ich nach einer Schwester läuten?“
    Ich goss ihr etwas ein und hielt ihr die Tasse zum Trinken hin, aber sie wedelte mich mit einem irritierten Seufzer weg.
    „Das kann ich selber.“
    Ich sah ihr zu, wie sie vorsichtig von dem Wasser trank, und ich sah zu, wie es an ihrem Kinn hinunterlief und der Kragen ihres Krankenhausnachthemds nass wurde. Nachdem ich ihr die Tasse wieder abgenommen hatte, reichte ich ihr ein paar Papiertücher aus dem Spender, der neben der Tasse stand. Sie wischte ihren Mund ab und hielt die Tücher dann vor ihre Nase, erst eins, dann das andere, bevor sie beide in ihrer Faust zusammenknüllte.
    „Du denkst dir bestimmt, ich hätte dir sagen sollen, was mit mir los ist“, erklärte sie schließlich.
    „Allerdings.“
    „Paige.“ Meine Mom sah mich auf ihre ganz spezielle Art an, aber davon ließ ich mich nicht beeindrucken. „Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.“
    „Wie lange weißt du es schon? Mein Gott, Mom!“ Ich war nicht durstig, aber ich goss mir dennoch eine Tasse Wasser ein, um meinen Händen etwas zu tun zu geben. Dann fiel mir ein, dass ich mich in einem Krankenhaus befand, in dem in der Luft zahllose bösartige Keime herumflogen, und stellte die Tasse weg.
    Meine Mutter beobachtete mich mit ihren dunkel umschatteten Augen. Ohne ihr Make-up sah sie so viel jünger aus. Sogar hübscher, trotz der Augenringe und der Müdigkeitsfältchen in ihren Augenwinkeln. Sie hätte sich niemals so in der Öffentlichkeit gezeigt, aber mir gefiel es, sie ohne all die Farbe im Gesicht zu sehen.
    „Seit ein paar Monaten. Ich habe eines Tages einen Knoten gefunden und ließ mich untersuchen. Sie machten eine Biopsie. Es war Krebs, also …“ Sie machte eine Handbewegung, die das Zimmer umfasste.
    „Aber warum hast du es mir nicht gesagt?“ Ich hatte gar nicht vorgehabt, zu flüstern, und ich war selber erstaunt, wie fest ich ihre Hand umklammerte. Ich beugte mich vor, um meine Stirn gegen ihre Hand zu pressen, und auch das erstaunte mich. „Ich hätte dir geholfen!“
    „Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst“,

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