Anonym - Briefe der Lust
Licht der Straßenlaternen.
Ich stolperte aus dem Bett und wühlte in meiner Handtasche nach dem Handy. Wieder begann mein Herz schneller zu schlagen, doch dieses Mal aus einem anderen Grund. Ich bekam zu den merkwürdigsten Zeiten alle Sorten von Anrufen und SMS, aber dieser hier fühlte sich anders an, und ich erkannte die Nummer auf dem Display nicht.
„Ms DeMarco?“
„Ja. Wer ist da?“
„Hier ist Dr. Phillips vom Hershey Med Center. Es tut mir leid, dass ich Sie so spät noch anrufe, aber bei der Operation Ihrer Mutter sind Komplikationen aufgetreten …“
Ich musste zwei Mal blinzeln, um sicherzugehen, dass ich nicht immer noch träumte, und selbst dann war ich noch nicht überzeugt. „Entschuldigen Sie. Einen Augenblick bitte. Eine Operation?“
„Bei der Brustrekonstruktion gab es Komplikationen“, erklärte er geduldig. Wahrscheinlich war er daran gewöhnt, Leute aufzuwecken und ihnen schlechte Nachrichten zu überbringen. „Sie litt unter schweren Blutungen, und jetzt hat sie hohes Fieber.“
Meine Mutter war losgezogen und hatte sich selbst eine Brustvergrößerung spendiert. Ich knirschte mit den Zähnen. „Sie sind Ihr plastischer Chirurg?“
„Ja. Ich habe eng mit ihrem Onkologen, Dr. Frank, zusammengearbeitet, seit Ihre Mutter die Diagnose erhielt.“
Ich begriff immer noch nicht. „Einen Moment, bitte. Ihr Onkologe? Ich dachte, sie hätte sich die Brüste machen lassen.“
„Ihrer Mutter sind beide Brüste entfernt worden“, erklärte der Arzt. „Es sollte sofort eine Rekonstruktion erfolgen. Aber wie ich bereits sagte, ist es zu Komplikationen gekommen.“
Ich ließ mich gegen das Betthaupt sinken. „Was für Komplikationen?“
„Können Sie ins Krankenhaus kommen?“, fragte er. „Ich denke, Sie sollten kommen.“
33. KAPITEL
Leo war wahrscheinlich noch nicht ins Bett gegangen, als ich ihn anrief, damit er kam, bei Arty blieb und ihn morgens in den Schulbus setzte. Er war innerhalb von fünfzehn Minuten da. Ich hätte erleichtert sein sollen, ihn zu sehen, aber ich war auch wütend.
„Du wusstest es?“
Er nickte. „Sie hat es mir vor ein paar Monaten gesagt. Als sie mich aufforderte, zu gehen.“
„Monate? Sie weiß es seit Monaten und … sie hat mir nichts gesagt?“
Leo zuckte die Achseln. „Sie wollte nicht, dass du dir Sorgen machst, Paige. Hey, guck mich nicht so an. Du kennst doch deine Mutter. Sie hat sich deswegen von mir getrennt.“
Er musste mir nicht sagen, dass das noch schlimmer war, als in Unwissenheit gelassen zu werden. „Das tut mir leid. Aber warum?“
Noch ein Achselzucken. „Sie sagte, sie wollte mir nicht zur Last fallen.“
„Hast du versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen?“ Die Frage war ein wenig gemein, aber Leo ging locker damit um.
„Ich liebe diese Frau, und ich liebe den Jungen da oben.“ Er zeigte zur Decke. „Verdammt. Ich habe sogar eine Schwäche für dich. Ich hatte die Hoffnung, sie würde es sich anders überlegen, sobald sie die Operation hinter sich hat und sieht, dass mir die Größe ihrer Titten egal ist.“
Es schien sinnlos, noch länger auf dem Thema herumzureiten, also verließ ich das Haus. Die Strecke nach Hershey war kürzer als die Fahrt von Lebanon nach Harrisburg, aber sie führte auf einer einspurigen ländlichen Straße entlang, und ich hatte das Pech, hinter jemandem herfahren zu müssen, der sich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielt und den ich nicht überholen konnte. Als ich endlich beim Krankenhaus ankam, hatte ich lauter Knoten im Magen und große Schweißflecke unter den Armen. Ich stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab und eilte in die Halle, wo es mir mit Mühe gelang, anhand der Hinweisschilder die Etage zu finden, wo meine Mom lag. Den Fahrstuhl teilte ich mir mit ein paar gesprächigen Krankenschwestern und einem erschöpft wirkenden älteren Mann, der sich eine Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen hatte.
Es war kurz nach elf, nicht unbedingt mitten in der Nacht, trotzdem war es auf dem Flur dämmrig und still. Die Schwestern unterhielten sich leise hinter ihrem Pult. Ich war nie zuvor auf der Intensivstation gewesen und auch jetzt nicht gerade glücklich, dort zu sein.
„Alicia DeMarco?“ Ich stützte mich mit den flachen Händen auf das Pult, um nicht vor Anspannung auf den Nägeln zu kauen. „Ihr Arzt hat mich angerufen und mir gesagt, sie würde hierhergebracht.“
Die Schwester zog einen Belegungsplan zurate. Ich hatte vermutet, es würde Probleme mit der
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