Anonym - Briefe der Lust
Erstes Dein Dinner essen. Dann wirst Du duschen. Anschließend gehst Du in Dein Schlafzimmer. Die Vorhänge bleiben offen.
Und während Du es Dir selbst besorgst, wird Dir die ganze Zeit bewusst sein, dass ich Dir zusehe.
„Hübsche Schuhe.“ Die Frau, deren Namen ich nicht kannte, der ich aber dauernd vor den Briefkästen begegnete, klang, als würde sie es ernst meinen. „Enzo Angiolini?“
Ich schaute hinunter auf die schwarzen Pumps mit Blockabsätzen, die über dem Spann mit Lederbändern zugebunden wurden, an denen kleine Quasten hingen. Ja, das waren Markenschuhe, und sie waren so gut wie neu. „Ja.“
„Hübsch. Ich habe ein ganz ähnliches Paar, allerdings in marineblau. Leider trage ich sie nie. Ich konnte einfach nichts finden, das dazu passt.“ Mit kritischem Blick musterte sie den Rest meines Outfits. „Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, die Schuhe mit einem Glockenrock und einer weit geschnittenen Bluse zu kombinieren.“
Monatelang hatte ich mir jeden Morgen den Kopf zerbrochen, was ich zur Arbeit tragen sollte, und sie hatte mich bei jeder unserer Begegnungen angesehen wie etwas, das sie gerade von den Sohlen ihrer beneidenswert modischen Schuhe gekratzt hatte. Und heute hatte ich mich vollkommen auf die Nachricht an Eric konzentriert, die ich ihm in den Briefkasten werfen wollte, und hatte mir das Erstbeste übergeworfen, was ich zwischen die Finger bekommen hatte. Ich betrachtete meine Schuhe und drehte mich einmal um mich selbst, sodass der Rock um meine Knie wirbelte. Mein Lächeln hatte nichts mit ihrem Kompliment zu tun, für das ich ihr auch nicht dankte. Okay, ich kann also rachsüchtig und zickig sein. Ich habe nie etwas anderes behauptet.
Ich ließ meinen Blick an ihr hinabwandern, von dem Chiffontuch, das sie sich um den Hals gebunden hatte, bis zu den Kate-Spade-Schuhen, die ich schon einige Male an ihr gesehen hatte. „Wirklich?“
Ein Wort. Und viele Andeutungen. Sie blinzelte und verzog den Mund zu einem verhaltenen Lächeln. Wir verstanden uns auf jene Art, die Männer nie beherrschen werden.
„Nächste Woche ist Ausverkauf bei Neiman Marcus. Ich bin dort Stammkundin und habe eine Postkarte mit einer Benachrichtigung bekommen“, teilte sie mir freundlich mit.
„Vielen Dank. Ich werde mal reinschauen.“ Ich wartete, bis sie fort war, bevor ich meinen Umschlag in Erics Briefkasten warf.
Danach lehnte ich mich für einen Moment gegen die Wand und ließ meinen Atem zwischen den geöffneten Lippen einund ausströmen. Unter dem Rock, den die Frau so bewundert hatte, trug ich ein seidenes Höschen. Sexy Dessous, die dafür sorgten, dass ich mich den ganzen Tag lang schön fühlte und immer wieder daran erinnert wurde, was ich später noch vorhatte. Als ob ich das vergessen könnte. Bei diesem Gedanken legte sich ein leises Lächeln um meine Lippen, das den ganzen Tag dort blieb.
Paul bemerkte es – das Lächeln, nicht das Höschen, das sich jedes Mal sanft an meiner Haut rieb, wenn ich meine Beine übereinanderschlug oder wieder löste. Er stand mit einem Stapel Akten im Arm neben meinem Schreibtisch und wartete, bis ich aufblickte, anstatt mich einfach anzusprechen, wie er es früher gemacht hätte.
Oh, wie sehr sich die Dinge innerhalb kurzer Zeit verändert hatten!
„Sie sehen heute sehr hübsch aus“, bemerkte er.
Angesichts der zahlreichen Gesetze gegen sexuelle Belästigung und in einer Zeit, in der meine Jobbezeichnung nicht Sekretärin lautet, sondern Assistentin der Geschäftsleitung, da man offenbar zu der irrigen Ansicht gelangt ist, dass der Titel wichtiger ist als der Job selber, war sein Kompliment nicht unbedingt passend. Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, um ihm einen ausgiebigen Blick auf meine Beine zu ermöglichen, die ich weit oben übereinandergeschlagen hatte. Und Paul schaute hin, und zwar ohne vorzugeben, er täte es nicht.
„Was kann ich für Sie tun, Paul?“
Er streckte mir die Akten entgegen. „Die hier müssen heute noch raus.“
Ich nahm sie ihm nicht ab. Ein Gefühl von Macht durchströmte mich, als er sie auf den Schreibtisch legte und dennoch nicht fortging. War das hier ein gefährliches Spiel? Zu risikoreich? Das glaubte ich nicht. Ich hielt es nicht einmal für einen richtigen Flirt. Ich hatte nicht die Absicht, meinen Boss zu vögeln.
Auf keinen Fall würde ich den gleichen Fehler wie meine Mutter machen.
„In Ordnung.“
Wir starrten einander an. Paul räusperte sich und wippte ein wenig auf seinen
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