Anonym - Briefe der Lust
wie ich darauf reagieren sollte. „Welche Positionen zum Beispiel?“
„In der Werbeabteilung.“
Ich hatte jeden Tag auf die Anschlagtafeln vor der Poststelle geschaut. Dort studierte ich die internen Stellenausschreibungen ebenso wie die Memos zur Firmenpolitik und die Ankündigungen von Partys und Picknicks während der Feiertage. Dabei war mir nichts Besonderes aufgefallen oder hatte mich gar in Begeisterung versetzt. Ich hatte nie in Erwägung gezogen, mich um eine der freien Stellen zu bewerben. Mein Plan war immer noch, meinen Master zu machen, wenn sie bereit sein würden, es mir zu bezahlen.
„Und was ist das genau für eine Stelle?“ Ich beugte mich vor.
„Sie suchen jemanden, um eine Marketingstelle in Vivian Darcys Abteilung zu besetzen.“
„Und wenn ich nicht für Vivian arbeiten möchte?“
Eine Augenblick lang sah Paul zufrieden aus, bevor er seinem Gesicht wieder den einstudierten Ausdruck absoluter Neutralität verlieh. „Das ist eine Möglichkeit, über die Sie nachdenken sollten. Sie können nicht ewig Assistentin bleiben, Paige.“
Damit hatte er absolut recht, und es berührte mich, dass er so dachte. „Das habe ich auch nicht vor.“
„Es könnte eine Chance für Sie sein“, stellte er fest.
Das stimmte. Aber warum sahen wir einander dann so traurig an?
Da er mir seinen Tagesablauf geschickt hatte, wusste ich, dass Eric heute gegen 20 Uhr zu Hause sein würde. Ich gab ihm eine halbe Stunde für sein Abendessen und weitere fünfzehn Minuten für seine Dusche. Wenn er derartige Anweisungen ebenso eifrig befolgte wie ich, würde er nicht länger brauchen.
Der schwarze Trenchcoat, den ich trug, sollte mich nicht wie eine Perverse aussehen lassen, aber ich fühlte mich wie eine, als ich das Parkhaus betrat. Ich hatte diesen Mantel gewählt, weil er mir helfen würde, mich im Schatten zu verbergen, hatte jedoch mit dem Gedanken gespielt, nichts darunter zu tragen. Schließlich zog ich jedoch schwarze Jogginghosen und ein schwarzes T-Shirt an, weil ich nicht mutig genug war, nackt zu gehen. Ich hätte es vielleicht getan, wenn ich eine Nachricht mit der Anweisung erhalten hätte, es zu tun, dachte ich lächelnd, während ich die Treppe zur zweiten Parkebene hinaufstieg.
Dort standen nur wenige Autos. Um diese Zeit waren die Plätze der Pendler, die tagsüber ihr Wagen hier parkten, leer. Aber von diesem Parkdeck aus konnte ich über die Straße hinweg direkt in Erics Apartment im ersten Stock sehen.
Die Betonmauer reichte mir bis zur Brust, und ich konnte mich darauf stützen, um über die Straße zu schauen. Um 9 Uhr war es bereits dunkel. Die orangefarbenen Lampen der Parkhausbeleuchtung leuchteten über der Tür zu den Treppen und bei jedem zweiten Pfeiler, aber über meinem Kopf war keine, sodass ich nicht geblendet wurde. Auch die Straßenlaternen standen so weit auseinander, dass sie mein voyeuristisches Vorhaben nicht störten.
Ich hatte kein Fernglas mitgebracht, aber ich brauchte eigentlich auch keins. Die Straße zwischen den beiden Gebäuden war nur schmal. Ich hätte hinüberspucken und sein Fenster treffen können. In seinem Apartment ging das Licht an.
In meinen Ohren pfiff es, und ich stieß die Luft aus meinen Lungen. Da war er. Es würde wirklich geschehen.
Jeder beobachtet heimlich andere Menschen. Wir tun es die ganze Zeit, zum Beispiel wenn wir nachts an Häusern vorbeifahren, in denen Licht brennt, oder wir schauen vom Innenhof aus in Hotelzimmer und durch offen stehende Türen in fremde Büros. Ich war jedoch nie willentlich darauf aus gewesen, jemanden bei einer schmutzigen Handlung zu beobachten. Ich wusste nicht recht, ob der Druck in meiner Magengrube und das Kribbeln in meinen Fingerspitzen von verbotener Erregung herrührte oder von Selbstverachtung.
Es ist Erregung, dachte ich, als die Vorhänge in Erics Schlafzimmer sich leicht bewegten und auch in diesem Raum das Licht anging. Ich war wesentlich perverser, als ich jemals gedacht hatte. Voyeurismus hatte mich nie besonders angemacht, aber das Wissen, dass ihm das hier einen Kick gab, ließ meine Nippel hart werden und löste ein Ziehen zwischen meinen Schenkeln aus, von dem ich wusste, ich würde es mit meiner eigenen Hand lindern müssen, noch bevor die Nacht vorbei war.
Ein oder zwei Minuten stand er am Fenster und schaute so lange nach draußen, dass ich anfing, mich zu fragen, ob er mich sehen konnte. Da hinter ihm das Licht brannte und es hier draußen dunkel war, glaubte ich das eher
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