Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
den Lebenden weilte, eines Abends in betrunkenem Zustand meinte, es wäre ein großer Spaß, mit Hilfe eines Feuerzeugs und einer Dose Insektenspray ein Feuerwerk zu entfachen. Dabei hat er sich fast das komplette Gesicht abgefackelt. Er ist seit einigen Monaten nicht mehr zu den Treffen gekommen, und keiner weiß, was mit ihm passiert ist. Natürlich rechnen wir alle mit dem Schlimmsten.
Auch wenn Zombies, entgegen dem modernen Mythos, technisch gesehen nicht sterben können, sind wir nicht unsterblich.
Es stimmt, dass wir nicht verbluten können, denn das Herz pumpt kein Blut mehr durch unsere Arterien, aber wir können langsam verwesen, bis von uns kaum mehr als ein Skelett übrig ist. An diesem Punkt findet deine Existenz mehr oder weniger ihr Ende. Nicht gerade eine angenehme Art abzutreten.
Wer noch nie zur Erforschung menschlicher Verwesungsprozesse an einem Abhang angekettet wurde, um dort zu verfaulen, kann das wahrscheinlich nicht verstehen.
Theoretisch betrachtet, kann man uns also töten, was ein bisschen irreführend ist, denn wir sind ja bereits tot. »Zerstört« wäre der treffendere Ausdruck, obwohl Helen lieber Begriffe wie »erledigt«, »beseitigt« oder »dauerhaft umgewandelt« verwendet, denn sie benutzt gerne Euphemismen.
Einen Zombie zu zerstören ist nicht gerade leicht. Kugeln, Messer, Gift - nichts davon kann uns etwas anhaben. Man kann uns weder ersticken noch ertränken oder erschlagen. Und wenn man uns ausweidet oder zerschneidet,
leert man lediglich unsere Körperhöhlen oder verwandelt uns in gelähmte Zombies. Enthauptung würde wahrscheinlich klappen. Verbrennen ebenfalls, allerdings muss man dafür Kraftstoff oder gutes Feuerzeugbenzin verwenden. Ohne vernünftigen Brandbeschleuniger brennen Zombies eher wie feuchtes Brennholz und glimmen stundenlang vor sich hin.
»Ich weiß, dass wir alle wegen Walters Tod traurig sind«, sagt Helen, »und dass wir alle unsere Probleme haben, mit denen wir uns herumschlagen, aber dort draußen gibt es noch mehr von uns, einige noch schlimmer dran als wir, und sie brauchen Hilfe. Darum möchte ich, dass jeder von euch zum Freitagstreffen in drei Wochen einen anderen Überlebenden mitbringt.«
»Du meinst als Hausaufgabe«, fragt Jerry.
»Ja«, sagt Helen. »So könnte man es nennen.«
»O Mann«, brummt Jerry. »Wie ich Hausaufgaben hasse!«
»Und, möchte sonst noch jemand erzählen, wie er mit dem Überfall auf Walter zurechtkommt?«, fragt Helen.
Alle schauen einander wortlos an. Ich überlege, meine Hand zu heben, doch jedes Mal, wenn ich mich auf einem unserer Treffen verständlich machen wollte, war das ein mühsames Unterfangen und endete meistens in einer frustrierenden Scharade, darum beschließe ich, meine erfolglose Protestaktion für mich zu behalten. Nachdem ich ohnehin schon von einem Pudel angepisst wurde, hat mein Vater, als er nach Hause kam und mich dort hocken sah, sich kommentarlos den Gartenschlauch geschnappt und mich mit der Hochdruckdüse abgespritzt, bis ich aufgestanden und ins Haus getrottet bin. Entweder hat er sich über mich geärgert oder aber er wollte einfach nur den Rasen wässern.
Wenigstens musste ich danach nicht mehr baden.
Der Rest des Treffens plätschert so vor sich hin; keiner hat wirklich Lust, über das zu reden, was Walter zugestoßen ist, und alle geben sich Mühe, den Kopf nicht hängen zu lassen. Allerdings bilde ich zum offenen emotionalen Austausch heute mit Rita ein Paar, so dass der Abend nicht ganz umsonst war.
Es ist das erste Mal, und das Gefühl, ihr so nahe zu sein, so vertraulich mit ihr zusammenzusitzen, brächte mich zum Weinen, wenn meine Tränenkanäle noch funktionieren würden. Ich glaube, mir war bisher nicht klar, wie sehr ich dieses tröstliche Gefühl, von einer Frau umarmt zu werden, gebraucht habe.
Ich vermisse und liebe meine Frau noch immer, doch jeder heterosexuelle Mann, ob nun lebendig oder untot, lässt sich lieber zehn Minuten lang von einem attraktiven dreiundzwanzigjährigen Zombie in einem Playboy-Bunny-Kostüm im Arm halten statt von jemandem wie Tom oder Jerry. Das Beste daran, Rita so nahe zu sein, ist die Tatsache, dass sie nicht diesen penetranten Leichengeruch verströmt. Den wird man nur ganz schwer los. Selbst das intensivste Parfum oder Desinfektionsmittel kann den Gestank von verwesendem Fleisch nicht vollständig überdecken.
Ich weiß, dass ich wahrscheinlich nicht besonders appetitlich rieche. Selbst zu Lebzeiten hatte ich einen ziemlich
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