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Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S G Browne
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die unscharfe Reflexion oder das weiche Licht oder Rays Äußerung, dass wir uns nicht schämen müssen für das, was wir sind, doch an diesem Morgen wirken meine Narben und Nähte nicht ganz so abstoßend wie sonst.
    Mit einem Selbstvertrauen, wie ich es seit Monaten nicht mehr verspürt habe, arbeite ich mich bis zum Soquel Drive vor, überquere die Straße und wanke auf dem gegenüberliegenden Seitenstreifen Richtung Soquel Village.
Ich laufe dieselbe Strecke wie zum Bürgerzentrum, aber diesmal im gedämpften Licht des Vormittags statt im diffusen Zwielicht der frühen Abendstunden, und ich bin allein - vornübergebeugt und humpelnd, das typische, klischeehafte Exemplar eines Zombies, mit einem schwarzen Regenumhang und einem Protestschild um den Hals. Selbst mit hochgezogener Kapuze falle ich auf wie ein Vegetarier auf einer Grillparty.
    Keine zwei Minuten auf der Straße, und die Autos fangen an zu hupen. Gefolgt von Gebrüll und Beschimpfungen. Ich muss zugeben, einige der Kommentare sind wenigstens originell.
    »Hey Zombie, wird Zeit, dass du verrottest.«
    »George A. Romero hat angerufen - du hast die Rolle nicht gekriegt.«
    Doch das meiste, was man mir an den Kopf wirft, ist das übliche Sammelsurium wüster Beschimpfungen, der kleinste gemeinsame Nenner an Beleidigungen.
    »Zombie go home.«
    »Tote Typen sind echte Scheiße.«
    Und mein persönlicher Favorit:
    »Nimm das!« (Mit ausgestrecktem Mittelfinger.)
    Ich frage mich, wie viele dieser Leute wohl die Kirche besuchen.
    Nicht alle Atmer sind so fies und gemein zu uns, doch manchmal denke ich voller Scham daran, dass ich mal einer von ihnen war.
    Obwohl man mich beschimpft, kann ich nicht anders, als weiter Richtung Village zu laufen. Keine Ahnung, ob es die innere Unruhe der letzten Tage ist, meine neu gewonnene Selbstsicherheit, jetzt, wo ich für meine Überzeugungen eintrete, oder das Protestschild um meinen Hals, das
mich ermutigt, aber ich gebe diesem Impuls nach. Als wäre es das Einzige, worauf es jetzt ankommt.
    Ein schwarzer Nissan Sentra fährt an mir vorbei, und eine Frau beugt sich aus dem Fenster und beschimpft mich als »Freak«. Ein silberner Dodge Plymouth drosselt das Tempo, und ein Schwarzer mit Rastalocken und Spitzbart spuckt mich an. Ein Junge auf dem Rücksitz eines weißen BMW wirft ein angeknabbertes Sandwich nach mir und trifft mich an der Brust; Mayonnaise und Thunfisch spritzen auf mein Schild und meinen Regenumhang. Und als der Wagen vorüberfährt, höre ich ihn lachen, während seine Mutter ihn dafür lobt.
    »Toller Wurf, Steven.«
    Direkt hinter dem Safeway-Supermarkt und dem Round Table Pizza führt die Straße hinab ins Soquel Village. Als ich das Schild mit der Aufschrift »Soquel Village - gegründet 1852« erreiche, werde ich mit einem Kaffeebecher, Kartoffelsalat, rohen Eiern, Orangensaft und einem »Kentucky Fried Chicken«-Eimer empfangen. Nach dem Originalrezept.
    Nicht alle Zombies müssen solche Demütigungen wie ich ertragen. Aber viele schon. Und einigen ergeht es noch schlimmer. Ich bin allerdings der typische Vertreter eines Zombies, das Paradebeispiel eines Untoten: schwankender Gang, humpelnd, mein Gesicht ein Flickenteppich aus Haut und Nähten. Man könnte mir genauso gut ein Schild mit der Aufschrift Beschimpft mich an den Rücken tackern.
    Hinter der offiziellen Grenze des Village geht der Seitenstreifen in einen Gehweg über, und beide Seiten der Straße werden von Geschäften gesäumt. Vor Crawford’s Antiques, der sonntags geschlossen hat, bleibe ich schließlich stehen.
Erneut erblicke ich im Schaufenster mein Spiegelbild, zum Teil verdeckt von den geschwungenen Buchstaben des Ladenschilds, aber deutlich genug, um zu erkennen, dass ich mit Essensresten übersät bin, und diesmal frage ich mich, was ich zum Teufel hier verloren habe.
    Ich habe hier nichts zu suchen. Ich bin kein Atmer. Die Welt der Lebenden ist nicht mehr meine Welt, egal, wie sehr ich mich danach sehne oder sie vermisse oder glaube, ich könnte unbehelligt in ihr herumspazieren. Ich will einfach nur meine Ruhe und einen gewissen Freiraum, die Freiheit, selbst zu entscheiden, wer ich sein und was ich tun möchte. Doch das gesteht man mir nicht zu. Ich bin ein nicht-menschlicher, seelenloser Freak. Es würde keinen Unterschied machen, wenn es mich nicht gäbe.
    Während ich mein Spiegelbild anstarre, wird mir klar, dass es ein großer Fehler war, herzukommen. Egal, welcher Impuls mich bis hierher getrieben hat, ich spüre

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