Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
nichts mehr davon. Ich will einfach nur noch nach Hause, bevor die Leute mich mit etwas bewerfen, das einen größeren Schaden anrichten kann als ein »Kentucky Fried Chicken«-Eimer.
Ehe ich mich abwende, um den Heimweg anzutreten, erscheint neben mir eine weitere Reflexion. Für einen Moment stehe ich regungslos da, gefangen in einem Moment, auf den ich nicht vorbereitet war, unsicher, was ich als Nächstes tun soll. Plötzlich bin ich einfach nur froh, dass ich einen Spaziergang unternommen habe.
Die Reflexion lächelt mich an, fährt mit dem Finger über meinen Umhang, steckt ihn in den Mund und sagt: »Fehlt nur noch etwas Salz.«
Mein Spiegelbild lächelt ebenfalls und wendet sich von mir ab, als ich mich zu Rita umdrehe.
Sie trägt einen königsblauen Pullover mit V-Ausschnitt über einem schwarzen T-Shirt, dazu eine Blue Jeans und schwarze Stiefel. Ihre Lippen erstrahlen in Juicy Pink. Als wären sie mit Kaugummi überzogen.
Sie hat weder Schal noch Handschuhe an. Die Nähte an Hals und Handgelenken fallen sofort ins Auge, zeichnen sich für jeden deutlich sichtbar dunkel auf ihrer blassen Haut ab. Sie sieht umwerfend aus.
Wir lächeln einander an, keiner sagt etwas. Das heißt, Rita sagt nichts, und ich grunze oder stöhne nicht, doch uns beiden ist klar, dass wir hergekommen sind, weil uns eine vage Ahnung dazu getrieben hat. Warum uns beide? Warum heute? Das spielt keine Rolle. Nur, dass wir es bis hierher geschafft haben. Und dass wir keine Angst haben.
Sie nimmt mich bei der Hand und führt mich von Crawford’s hinunter ins Village. Ich muss die ganze Zeit lächeln. Als hätte ich ein erstes Date und könnte nicht glauben, dass das wirklich passiert. Ich bin nervös und aufgeregt und spüre gleichzeitig ein Selbstvertrauen, wie ich es seit meinem Tod nicht mehr empfunden habe. All das und noch mehr. Aber vor allem tue ich eins: lächeln. Ein Blick auf Rita zeigt mir, dass sie ebenfalls lächelt.
Stumm, ganz für uns, trotten wir die Straße hinunter und vermeiden alles, um aufzufallen, dennoch ziehen wir die Blicke magnetisch auf uns. Als würden wir bei der Oscar-Verleihung über den roten Teppich laufen, auch wenn wir nicht gerade wie Tom Cruise und Katie Holmes aussehen.
Ausrufe der Verwunderung und des Entsetzens begleiten uns wie Applaus. Beleidigungen explodieren wie Blitzlichter. Irgendwer wirft einen Styroporbecher und bespritzt
mich mit Malzbier. Gefolgt von einen Marmeladen-Donut. Jemand verständigt per Handy die Polizei. In der Ferne ertönen Sirenen, werden lauter. Kurz darauf kommt der Transporter der Animal Control quietschend um die Ecke geschossen und rast direkt auf uns zu.
Es ist der schönste Tag meines bisherigen Daseins.
KAPITEL 11
Jeder Zombie muss sich beim Amt für Wiederauferstehung registrieren lassen, wo er eine Identifikationsnummer zugeteilt bekommt. Einen Pass. Wie bei einem Hund oder einer Katze. Auf meinem Pass stehen mein Name, Adresse und Telefonnummer sowie meine Ausweisnummer, die 1073 lautet. Das heißt, ich bin der tausenddreiundsiebzigste Untote in Santa Cruz County, dem ein Pass ausgestellt wurde.
Normalerweise trägt man ihn wie eine Hundemarke an einer Kette, was, da bin ich mir sicher, eine Beleidigung für Armeeangehörige und Hunde gleichermaßen ist. Einige Zombies haben ihn am Handgelenk, während andere, etwas subversivere Untote, sich weigern, eine Marke zu tragen. Denn abgesehen davon, dass ein Zombie mit ihrer Hilfe schnell identifiziert und nach Hause verfrachtet werden kann, lassen sich damit auch Störenfriede aufspüren. Aber nicht jeder Zombie möchte, dass man ihn findet. Nicht jeder Zombie hat ein Zuhause. Nicht jeder Zombie hat so verständnisvolle Eltern wie ich.
»Zweihundert Dollar!«, brüllt mein Vater hinter dem Lenkrad, das Gesicht rot vor Wut, während er meine Mutter und mich nach Hause fährt. »Zweihundert Dollar!«
So viel hat es gekostet, mich bei der SPCA auszulösen.
Mein erster Trip dorthin war gratis, denn ich wurde
ohne das Wissen meiner Eltern reanimiert. Doch für jeden weiteren Aufenthalt dort muss man eine Geldstrafe zahlen, um für die Unterbringungs- und Transportkosten aufzukommen. Trinkgeld und Steuern inklusive.
»Hast du eine Ahnung, wie lächerlich du mich heute gemacht hast?«, sagt mein Vater und betrachtet mich im Rückspiegel, während er an einer roten Ampel bremst. »Hast du mal darüber nachgedacht, bevor du das Haus verlassen hast?«
»Ich glaube nicht, dass er uns lächerlich machen
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