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Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S G Browne
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Minuten vergangen, seit ich auf dem Stuhl Platz genommen habe, während Ted hinter meiner rechten Schulter sitzt, mit dem Stift auf seinen Notizblock klopft und Grimassen schneidet. Er hat weniger Falten als beim letzten Mal, was bedeutet, dass er sich schon wieder Botox spritzen hat lassen.
    In der Ecke bläst der Lufterfrischer heute zischend einen Fliederduft ins Zimmer.
    »Wie fühlen Sie sich heute, Andrew?«
    Ich denke einen Moment nach, dann kritzle ich meine Antwort auf die Tafel:
    Ängstlich.
    Zwei weitere Minuten verstreichen. Ich hoffe, dass wir nicht die ganze Sitzung so dahocken. Sonst hätte ich auch zu Hause bleiben und mir auf FX Pizza Pizza - ein Stück vom Himmel anschauen können.
    … siebzehn … achtzehn … neunzehn …
    »So haben Sie sich auch schon beim letzten Mal gefühlt, nicht wahr?«, sagt er.

    Wenigstens weiß ich jetzt, dass Ted sich Notizen macht. Entweder das, oder er projiziert seine Angst auf mich. Schließlich sitzt er mit einem Zombie alleine in einem Zimmer.
    »Vielleicht sollten wir versuchen, hinter die Gründe deiner Angst zu kommen«, sagt Ted.
    Ich seufze. Man muss nicht lange herumstochern, um zu erkennen, dass jemand, der zum gesellschaftlichen Außenseiter geworden ist und den größten Teil des Tages damit verbringt, Kabelfernsehen zu schauen und Wein zu trinken, während er sich nach Freiheiten sehnt, die ihm per Gesetz verwehrt sind, hin und wieder vielleicht unter Angstzuständen leidet. Ich gebe mein Bestes, meine Situation und die damit verbundenen Herausforderungen zu akzeptieren. Denn einer von Helens Lieblingssprüchen lautet:
    AKZEPTIERE DEINE LEBENSWIRKLICHKEIT.
    Also versuche ich es. Doch seit Halloween fällt es mir schwerer, sie zu akzeptieren. Ich dachte, das Gefühl verschwindet wieder, doch es ist, wenn überhaupt, noch stärker geworden. Seit ein paar Tagen schleiche ich mich, nachdem meine Eltern ins Bett gegangen sind, aus dem Haus, schlendere durch die Schlucht und schaffe es gerade noch rechtzeitig zur Ausgangssperre zurück in den Weinkeller. Es ist, als würde ich nach etwas suchen, ohne zu wissen, wonach.
    Im Idealfall sollte einem ein Therapeut genau dabei helfen. Sich selbst und sein Verhalten zu verstehen. Seine Beweggründe. Seine Sehnsüchte. Ich glaube allerdings, dass die meisten Atmer, die diese Form der Hilfe benötigen, nicht bei einem künstlich konservierten, ichbezogenen Therapeuten landen, dessen Vorstellung von persönlicher
Weiterentwicklung sich auf den Einsatz plastischer Chirurgie beschränkt.
    Ted klopft mit dem Stift erneut auf seinen Notizblock und schneidet Grimassen. Ich blicke abermals zur Digitaluhr, wo die Sekunden sich zu Minuten ballen und die Minuten die Stunden auffressen, und ich frage mich, ob Ted sich jemals daranmachen wird, die Gründe für meine Angst herauszufinden.
    »Wie war Ihre Kindheit?«, sagt er.
    Ich verdrehe die Augen und fragte mich, wie viele von Teds Patienten wohl Selbstmord begehen. Ich denke daran, ihm die Standardantwort zu geben, ein nichtssagendes, belangloses Schön oder Normal . Was ja auch stimmt. Dad hat das Geld verdient. Mom war für den Haushalt und das Kochen zuständig. Und Andy hat die Schule besucht, Sport getrieben und möglichst wenig Ärger gemacht. Unspektakulär. Undramatisch. Untraumatisch. Doch statt mich ans Drehbuch zu halten, schreibe ich: Ich wurde missbraucht.
    »Wirklich?«, sagt Ted.
    Nein, nicht wirklich. Aber warum nicht?
    »Wurden Sie sexuell oder emotional missbraucht?«, fragt er.
    Beides.
    Ted kritzelt etwas in seinen Block, dann fängt er wieder an, mit seinem Stift darauf herumzuklopfen.
    Der Lufterfrischer bläst zischend eine weitere Ladung Fliederduft ins Zimmer. Ich persönlich hätte wieder Lavendel vorgezogen. Oder vielleicht Gardenie.
    »Wie ist momentan das Zusammenleben mit Ihren Eltern?«, fragt er.
    Großartig.
    »Großartig?«, sagt er und runzelt die Stirn.

    Es fällt mir schwer, ein ernstes Gesicht zu machen, denn ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß mit einem Atmer.
    »Sie empfinden keinen Groll oder Hass?«
    Nein, schreibe ich.
    »Interessant«, sagt Ted, während er sich noch mehr nutzlose Notizen macht.
    … zweiundvierzig … dreiundvierzig … vierundvierzig …
    »Was machen Sie, wenn Sie mit Ihren Eltern zusammen sind?«, fragt er.
    Wir spielen Mensch ärgere dich nicht.
    »Mensch ärgere dich nicht?«, sagt er, als würde er den Ausdruck zum ersten Mal hören. »Sie spielen mit Ihren Eltern Mensch ärgere dich nicht?«
    Und

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