Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
Twister.
KAPITEL 13
Jeder erste Freitagabend im Monat ist für die Gruppe eine Art gesellschaftliches Ereignis. Mit seinen wechselnden Exkursionen.
Jerry nennt es die Welttodestour.
Wir treffen uns dann alle auf dem Friedhof, um einem Angehörigen oder Freund unsere Ehre zu erweisen und uns daran zu erinnern, dass wir, obwohl wir nicht mehr unter den Lebenden weilen, noch nicht tot sind. Damit wir die Möglichkeit zu schätzen lernen, die sich uns dank unserer neuen Existenz bietet, und damit wir begreifen, dass wir etwas Besonderes sind. Bei mir verstärkt das lediglich das Gefühl, vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen zu sein. Oder muss es gesellschaftlicher Tod heißen? Oder gesellschaftlicher Untod? Jedenfalls komme ich mir dabei so ungewöhnlich wie Mayonnaise vor.
Heute Abend treffen wir uns auf dem Oakwood Memorial Cemetery, gegenüber dem Dominican Hospital, direkt auf der anderen Straßenseite. Für die Patienten muss das ein tröstlicher Gedanke sein. Ich frage mich, ob sie die unheilbar kranken und älteren Patienten im Südflügel unterbringen, mit einem Fenster auf den Friedhof hinaus, damit sie sich schon mal an den Anblick gewöhnen können.
In ein paar Tagen ist Neumond, und bis auf das Umgebungslicht des Krankenhausparkplatzes ist es auf dem
Friedhof fast vollkommen dunkel. Zombies sehen nicht besonders gut, was einen nächtlichen Spaziergang über den Friedhof zu einem kleinen Abenteuer macht. Selbst wenn man mit hundertprozentiger Sehkraft gestorben ist, lässt sie kurz nach der Wiederbelebung nach. Je länger man untot ist, desto schlechter wird das Sehvermögen. Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass Zombies, die schon eine Weile untot sind, eine Brille tragen.
Weiter vorne gerät Tom ins Straucheln und stürzt grunzend gegen einen Grabstein.
Vielleicht geht es nur mir so, aber eine Horde wiederbelebter Leichen, die an einem Freitagabend nach zehn Uhr über den Friedhof wanken, ist nicht gerade die beste Weise, mit den gängigen Zombie-Klischees aufzuräumen.
Obwohl einige Kulturen in Westafrika und der Karibik glauben, das Zombies durch einen Voodoo-Fluch oder die Übertragung eines Virus entstehen, halten die meisten Menschen Zombies für fleischfressende Monster - ein Klischee, das von Hollywood und Horrorautoren beständig am Leben erhalten wird und das bei unserem aussichtslosen Kampf, unser öffentliches Image aufzupolieren, nicht hilfreich ist. Allerdings ist es ziemlich schwierig, einen guten Presseagenten zu engagieren, wenn man mit dem Budget von Twentieth Century Fox oder Random House nicht konkurrieren kann. Und wenn die meisten Presseagenten glauben, dass man ihr Gehirn verspeisen will.
Meiner Meinung nach trifft die Medien an der Verbreitung einer Anti-Zombie-Stimmung genauso viel Schuld wie den Rest der Gesellschaft. Dank Nachrichtensendungen rund um die Uhr auf allen Kanälen und einem Publikum, das dem Nervenkitzel und Schreckensmeldungen den Vorzug gibt vor dem Unspektakulären und Erbaulichen,
kriegen Zombies mehr schlechte Publicity als Präsident, Kongress und O. J. Simpson zusammen.
Jedes Mal, wenn ein Zombie etwas Verbotenes tut, selbst wenn man ihn zu dem Übergriff provoziert hat, wird der Vorfall in den landesweiten Nachrichten zu Tode genudelt, bis der Äther von Kommentaren und Augenzeugenberichten erfüllt ist, ebenso wie von Forderungen nach unserer vollständigen Vernichtung. Denn statt darüber zu berichten, wie die Untoten Treffen abhalten, Spielzeug für bedürftige Kinder sammeln und Wohltätigkeitsbasare veranstalten, richten die Medien ihren Fokus auf eine Minderheit von uns und verbreiten mit ihrer irreführenden Berichterstattung Angst und Schrecken. Ich meine, nur weil der eine oder andere Asiate nicht weiß, wie man einen Wagen steuert, heißt das noch lange nicht, dass dort alle lausige Autofahrer sind. Okay. Schlechtes Beispiel. Aber ihr wisst, was ich meine. Die Atmer glauben, was sie glauben wollen, ungeachtet der Fakten.
Weitere Mythen, die die Medien über Zombies in die Welt gesetzt haben:
Wir bewegen uns nur langsam fort.
Unser Intelligenzquotient tendiert gegen null.
Wir können elektromagnetische Impulse sehen.
Wir haben übermenschliche Kräfte.
Wir sind mit Vampiren verwandt.
Einige Wochen nach der Wiederbelebung
werden wir taub.
Und, auch wenn unsere Geruchsnerven noch funktionieren, können wir, im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Ansicht, Atmer nicht schon von weitem riechen.
Eine der wenigen Eigenschaften, die in
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