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Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S G Browne
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Hälfte unseres neunzigminütigen Treffens absolviert, bei dem wir vor allem über den Diebstahl von Toms rechtem Arm diskutiert haben und darüber, wie wir ihn zurückbekommen können. Doch im Grunde können wir in seinem Fall etwa genauso viel tun wie bei Walter. Das heißt: Entweder akzeptieren wir, was passiert ist, und richten den Blick nach vorne, oder wir riskieren, mehr als nur einen Arm zu verlieren. Auf jeden Fall mehr,
als mit Fastfood gesteinigt und zur SPCA kutschiert zu werden.
    Von der Tafel schreit uns die Botschaft des heutigen Abends entgegen:
    WARUM SIND WIR HIER?
    Jerry beugt sich zu mir rüber. »Alter, ich bin hier, weil ich eine Flasche Jack Daniels getrunken und drei dicke Pfeifen Dope geraucht habe.«
    Erzähl mir mal was Neues.
    »Jerry, möchtest du der Gruppe etwas mitteilen?«, fragt Helen. Seine Schürfwunden auf den Wangen erwecken den Eindruck, als würde er ständig rot anlaufen.
    »Ich wollte damit nur sagen, dass ich nicht hier wäre, wenn ich mich angeschnallt hätte.«
    »Vielleicht«, sagt Helen. »Vielleicht auch nicht. Aber darum sind wir nicht hier.«
    Ich hätte es fast nicht zum Treffen geschafft. Nach meiner »dummen kleinen Showeinlage«, wie mein Vater es nannte, hat er damit gedroht, mich für eine Woche in der SPCA zu lassen; das ist die längste Zeitspanne, die sie einen Zombie mit Pflegefamilie dabehalten, bevor sie ihn an die Bezirksverwaltung übergeben. Und danach würde es nicht lange dauern, bis mein Kopf zu Versuchszwecken auf dem Tablett eines angehenden Schönheitschirurgen landet.
    Mom hat nicht ein Argument zu meiner Verteidigung vorgebracht, sondern sich im Hintergrund gehalten, während mein Vater mich durch die Stäbe meines Zwingers beschimpft hat. Schließlich hat er doch noch von seiner Drohung Abstand genommen, aber nur weil ihn meine Unterbringung pro Tag weitere fünfzig Dollar gekostet hätte.

    Ich bin froh, dass ich nicht eine ganze Woche in der SPCA verbringen musste. Die Unterkünfte sind gar nicht so übel, und geschmacklich unterscheidet sich das Trockenfutter für Katzen kaum von Moms Hackbraten, aber die Treffen mit Rita hätten mir gefehlt.
    Heute Abend sitzt sie mir gegenüber; in ihrem linken Ohrläppchen trägt sie den ΣX-Anstecker, dazu einen weißen Pulli mit einem roten Seidenschal, der unter ihrem bleichen Gesicht wie ein Fluss aus Blut wirkt. Sie hat allerdings keine Handschuhe an. Ihre Hände liegen im Schoß, während sie roten Lack auf die Nägel ihrer linken Hand pinselt. Bevor die Farbe trocknen kann, hebt sie ihre Finger an die Lippen und leckt jeden Nagel einzeln ab.
    Und plötzlich frage ich mich, wie es wohl wäre, einer ihrer Fingernägel zu sein.
    »Wir haben alle aus einem bestimmten Grund überlebt«, sagt Helen. »Kann mir jemand sagen, warum?«
    Als Antwort erntet sie Schweigen, während jeder der Anwesenden seinen Blick im Zimmer umherwandern lässt, über die Gesichter der anderen Überlebenden. Selbst Carl schafft es, sich einen höhnischen Kommentar zu verkneifen.
    Tom, der neben Rita sitzt, hebt seinen noch verbliebenen Arm und fuchtelt mit den Fingern in der Luft herum.
    »Du musst dich nicht melden, Tom«, sagt Helen.
    »Ach, ja. Stimmt«, sagt er und lässt den Arm wieder sinken. »Tja, ich denke, dass wir hier sind, weil wir nicht sterben sollten.«
    »Wirklich brillant«, sagt Carl und prustet vor Lachen. »Überlassen wir es einfach unserem Vegetarier, eine bescheuerte Antwort zu geben.«
    »Warum legst du eigentlich so viel Wert darauf, ein Arschloch zu sein?«, fragt Naomi. Beim Sprechen hängt ihr
rechter Mundwinkel unter der leeren Augenhöhle schlaff nach unten.
    »Ich hab echt keine Ahnung«, sagt Carl. »Vielleicht weil meine gesellschaftlichen Aktivitäten sich darauf beschränken, zweimal pro Woche in diesem Zimmer zu hocken, und ich nicht das Gefühl habe, ich könnte ins Kino gehen, einen Spaziergang machen oder eine Runde Golf spielen.«
    Carl war früher Mitglied im Seascape Resort, wo er Tennis und Golf gespielt und an den wöchentlichen Abendessen teilgenommen hat, auf du und du mit der Oberschicht von Santa Cruz County.
    Naomi zieht an ihrer Zigarette und pustet den Rauch absichtlich in Carls Richtung. »Nur weil du verbittert bist, gibt dir das noch nicht das Recht, deinen Frust am Rest der Gruppe auszulassen. Außerdem führt das zu nichts.«
    »Was für eine großartige Überleitung«, sagt Helen. »Danke, Naomi.«
    Helen erhebt sich von ihrem Platz und tritt an die Tafel. Ich blicke zu

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