Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
die Verbindungsmitglieder vor die Tür zu locken. Daraufhin wird sich Ray, der im Gegensatz zu uns nicht ganz so zombiemäßig wirkt und unter einem Haufen besoffener College Kids bei gedämpfter Beleuchtung als Atmer durchgehen könnte, als unsere Begleitperson ausgeben und sich dafür entschuldigen, dass wir ihm entwischt sind, bevor wir mit Aluminiumschlägern verprügelt oder in Brand gesteckt werden. Solange die Verbindungsstudenten mit uns beschäftigt sind, sollen Zack, Luke und Jerry sich durch die Hintertür ins Gebäude schleichen und nach Toms Arm suchen.
Falls Plan A nicht funktioniert, kommt Plan B zum Einsatz: Wir stürmen das Haus und jagen allen einen höllischen Schrecken ein, in der Hoffnung, dass wir Toms Arm finden, bevor die Animal Control eintrifft.
Scheiß drauf. Man ist nur einmal untot.
Allerdings habe ich keine Ahnung, was wir tun sollen, falls die Sache schiefläuft. Tom könnte ja wenigstens noch abhauen, ich hingegen bin nicht in dieser komfortablen Lage, was bedeutet, dass ich hierbleiben und kämpfen muss. Falls es dazu kommt, kann ich hoffentlich mindestens einen von ihnen mitnehmen.
Zu meiner Linken flüstert Tom irgendetwas vor sich hin. Und nach einem Moment wird mir klar, dass er einen von Helens Euphemismen wiederholt.
»Ich bin ein Überlebender … Ich bin ein Überlebender … Ich bin ein Überlebender.«
Auf der anderen Straßenseite vor dem Sigma-Chi-Gebäude ist es ruhig, und von Ray fehlt jede Spur. Die Warterei zerrt an den Nerven, was nicht weiter verwunderlich ist, allerdings stelle ich fest, dass ich richtig Angst habe. Es ist nicht nur die Erinnerung daran, sondern auch die körperliche Reaktion, die damit einhergeht. Komischerweise verspüre ich zum ersten Mal seit meinem Tod so etwas wie einen Adrenalinstoß.
Bevor ich mich weiter damit beschäftigen kann, dringen aus dem Gebäude der Verbindung mehrere Schreie. Sekunden später explodiert in einem Schwall aus Glas eines der oberen Fenster, und ein Körper fliegt durch die Öffnung, rollt über das Dach, fällt über den Rand und landet mit dem Gesicht nach unten im Vorgarten.
»Ist das das Zeichen?«, fragt Tom.
Durch das kaputte Fenster dringt lauter werdendes Geschrei aus dem Gebäude, als Ray hinter der Rückseite des Verbindungsgebäude hervorstürzt und brüllt: »Plan B! Plan B!«
Tom und ich sehen dabei zu, wie Ray zum Gehweg läuft und weiter die Straße hinunter, Richtung Lumina, als die Lichter auf der Veranda angehen und die Nachbarhäuser anstrahlen, darunter auch das Gebäude hinter uns.
Der Körper, der vom Dach im Vorgarten der Bruderschaft gelandet ist, rappelt sich wieder auf und kommt mit drei erhobenen Armen auf uns zugerannt.
»Hab ihn, Kumpel!«, brüllt Jerry und wedelt triumphierend mit Toms Arm.
Neben mir stößt Tom einen Freudenschrei aus.
Im Gebäude herrscht völliges Chaos. Die Bewohner schreien und kreischen, und vor den Fenstern huschen Silhouetten wie Gespenster hin und her. Da öffnet sich die Eingangstür,
und zwei Atmer kommen herausgestürmt, Zack oder Luke dicht auf den Fersen, keine Ahnung, wen von beiden, aber er lacht.
Während Tom und ich über die Straße zu Jerry eilen, fährt Ray mit dem Lumina vor, steigt aus und lässt das Auto mit laufendem Motor stehen.
»Nehmt den Wagen«, sagt er und rennt an uns vorbei, Richtung Sigma-Chi-Gebäude.
»Und was ist mit dir?«, brüllt Tom.
»Macht, dass ihr hier wegkommt!«, schreit Ray, bevor er wieder auf der Rückseite des Hauses verschwindet.
Das muss man mir nicht zweimal sagen. In der Ferne ertönen Sirenen, und die Vorstellung, auf der Ladefläche des Animal-Control-Transporters durch die Gegend kutschiert zu werden, hat nichts von dem berechtigten Glanz, der dieser Aktion zunächst anhaftete.
Jerry wirft Tom über den Wagen hinweg den Arm zu, der ihn wie ein Passempfänger beim American Football mit einer Hand auffängt und auf den Beifahrersitz gleitet, während ich mich hinter ihm auf die Rückbank plumpsen lasse und die Tür zuziehe. Bevor ich mich anschnallen kann, tritt Jerry das Gaspedal bis zum Anschlag durch, und der Lumina jagt zum verzerrten Intro von Steppenwolfs »Magic Carpet Ride« die Straße hinunter.
Als die Sirenen lauter werden und die Nachbarn auf die Straße strömen, werfe ich einen Blick aus dem Heckfenster, dankbar, dass ich den Ort des Geschehens hinter mir lasse.
»Wuuuhuuu!«, schreit Jerry und biegt so schnell und scharf um die erste Kurve, dass ich quer über die Rückbank
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