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Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S G Browne
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die Ursache dafür in den Genen suchen, doch niemand hat eine endgültige Antwort, es sei denn, man glaubt die üblichen modernen Legenden von Voodoo-Zauber und Zombieviren, die im Internet und in Horrorfilmen verbreitet werden. Was für eine Scheiße.

    Ich hocke mich an Rachels Grab und hole das Glas mit Wildfleisch hervor, das Ray mir auf dem Treffen gegeben hat. Da ich keine Gabel dabeihabe, nehme ich die Finger; Saft und Öl laufen über meine Hände. Das Fleisch ist immer noch so lecker wie beim ersten Mal, doch inzwischen schmeckt es so intensiv, dass es mich ganz süchtig macht.
    Ich fühle mich nicht ganz wohl, hier zu hocken und es mir über meiner toten Frau schmecken zu lassen, während ich zwischen Gedanken an meine Vergangenheit und meine Gegenwart hin und her gerissen bin. Wenn ich mit Rachel reden könnte, würde ich ihr naheliegende Dinge sagen - wie sehr ich unser gemeinsames Leben vermisse, wie leid es mir tut, dass ich hinter dem Steuer eingeschlafen bin und dass ich mich vermutlich in einen anderen Zombie verliebt habe.
    Sprecht über das, was euch unangenehm ist.
    Manchmal rede ich in Gedanken mit Rachel, und das hilft, aber es wäre wirklich eine Erlösung, wenn ich meine Gedanken tatsächlich aussprechen könnte. Ich weiß, dass sie mich nicht hören kann, zumindest glaube ich das, doch wenn ich nachts auf dem Soquel Cemetery an ihrem Grab sitze, kommt mir mein Schweigen wie eine Bombe vor, die nicht explodieren will.
    Es würde allerdings eine Weile dauern, bis ich all diese Klagen und Selbstbezichtigungen aussprechen könnte, weil ich sie schon so oft in Gedanken hergesagt habe, dass sie mir wie die einstudierten Sätze eines erschöpften Schauspielers vorkommen. Sie waren mal voller Leidenschaft und Tiefe. Doch inzwischen sind es nur noch irgendwelche Wörter, die ihre Bedeutung verloren haben, wie ein Mantra, das du wiederholst, weil du dich daran gewöhnt
hast, und nicht weil es dir danach bessergeht oder weil du es auch tatsächlich so meinst. Trotzdem murmelst du die Wörter vor dich hin, weil sie vertraut und tröstlich klingen und du so den Problemen aus dem Weg gehen kannst, die die eigentliche Ursache für deine Unzufriedenheit sind.
    Fragt man einen Atmer, was für Wünsche er oder sie hat, egal, wie ausgefallen der Wunsch auch sein mag, vielleicht sogar unvernünftig oder utopisch, übersteigt er in der Regel nicht unsere Fantasie. Wohlstand, Ruhm oder Schönheitsoperationen, die einen in Marilyn Monroe verwandeln. Es ist sogar möglich, dass ein Mann mittels künstlicher Befruchtung in seinem Darm einen Fötus austrägt.
    Bizarr, das schon. Unvorstellbar, nein.
    Die meisten Untoten, bizarre Geschöpfe, eigentlich jenseits unserer Vorstellungskraft, hegen nur einen Wunsch: Sie wollen ihr Leben zurück. Was unmöglich ist. Unvernünftig. Undenkbar. Trotzdem gibt es diesen Wunsch, er geistert durch unseren Kopf wie ein Ballon, den wir nicht zu fassen kriegen - eine einzige Beleidigung, die uns verhöhnt und verfolgt und uns daran erinnert, wie viel wir verloren haben.
    Hoffnung.
    Es liegt in der menschlichen Natur, glauben zu wollen, dass sich die Dinge stets zum Guten wenden, dass sich, egal, wie viele Einschränkungen, Rückschläge oder Enttäuschungen wir ertragen müssen, am Ende alles fügen wird. Doch wenn wir eigentlich gar keine Menschen mehr sind, was sind wir dann? Was ist unsere wahre Natur? Worauf können wir hoffen? Was für Ziele sollen wir uns setzen?
    Die Entfaltung unserer Persönlichkeit?
    Geistige Reife?

    Einen langsameren Verwesungsprozess?
    Wir haben keinerlei Bürgerrechte und übrigens auch keine Grundrechte, warum sollen wir also positiv in die Zukunft blicken? Woher sollen wir die Energie nehmen, uns irgendwelche Ziele zu stecken, wenn das wichtigste Ziel, das, was wir uns alle wünschen, unerreichbar ist?
    Ich starre auf die Gedenktafel von Rachels Grab und lasse meine Finger über ihren Namen gleiten, dann lege ich mich hin und presse mein Ohr gegen den Boden, um festzustellen, ob ich sie durch die zwei Meter dicke Erdschicht schreien höre, doch alles, was ich höre, ist das Geräusch eines näher kommenden Fahrzeugs.
    Ein Paar Scheinwerfer gleitet über die Old San Jose Road, während der Wagen vorbeifährt. Ich kann die Personen im Innern zwar nicht erkennen, aber ich stelle mir vor, dass hinter dem Lenkrad ein Mann hockt, neben ihm auf dem Beifahrersitz seine Frau und auf der Rückbank ihre Tochter. Das könnte meine Familie sein. Das wäre meine

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