Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
nicht mehr als vier Wörter. Höchstens fünf. Dennoch, mal abgesehen von meiner Sprechübung heute Morgen ist das mehr, als ich in den letzten vier Monaten herausgebracht habe.
Vielleicht habe ich irgendetwas in meinen Genen, das mich genesen lässt. Oder ich gewöhne mich an meine körperlichen Einschränkungen, anstatt weiter gegen sie anzukämpfen. Egal, woran es liegt, ich will mich nicht beschweren.
Ich greife in meine rechte Gesäßtasche, um mich zu vergewissern, dass das Haiku, das ich für Rita geschrieben habe, noch da ist, der gefaltete Umschlag mit einem einzelnen Blatt Papier, auf dem drei Zeilen stehen, die mir ohne jede Mühe eingefallen sind, als wären sie schon die ganze Zeit in meinem Kopf gewesen und hätten nur darauf gewartet, niedergeschrieben zu werden:
Blutrote Lippen
Fleisch, leblos, wie Elfenbein
Mein totes Herz schlägt
Ich hoffe nur, dass ihre Mutter nicht zu Hause ist.
KAPITEL 30
Leute, die im Kampf , durch eine Infektion oder bei einem Unfall mit der Kettensäge einen Arm oder Fuß verloren haben, berichten häufig von Phantomschmerzen.
Während ich vor Ritas Haus stehe und die Hand hebe, um an ihre Tür zu klopfen, könnte ich schwören, dass ich spüre, wie mein Herz klopft und meine Poren Schweiß absondern, so dass mein Hemd auf der Haut klebt. Es ist mehr als ein Dutzend Jahre her, dass ich gegenüber einer anderen Frau als Rachel romantische Absichten hegte, und ich bin mehr als nur ein bisschen aus der Übung. Ich komme mir vor wie jemand auf der Highschool, der ein Mädchen für den Abschlussball klarmachen will. Doch statt in Verlegenheit zu geraten, weil mitten auf meiner Stirn plötzlich ein Pickel aufgetaucht ist, mache ich mir Sorgen wegen der Nähte, die von meinem Kinn zur linken Augenhöhle verlaufen.
Kurz bevor ich mit den Fingerknöcheln das Holz berühre, setzt der typisch männliche Mechanismus ein, der das Selbstvertrauen zerstört, und ich frage mich, ob ich nicht einen Fehler mache. Ob sie mich auslachen wird. Ob ich mehr Kölnischwasser hätte auftragen sollen, um meinen Verwesungsgestank zu überdecken.
Ich klopfe dreimal und warte ab, in der Hoffnung, dass Rita öffnet und nicht ihre Mutter. Selbst wenn ein Atmer
mit einem Zombie unter einem Dach lebt, muss es für ihn ziemlich beunruhigend sein, wenn ein eingetragenes Mitglied der lebenden Toten vor seiner Tür steht. Und mir ist nicht danach, dass jemand bei meinem Anblick zu schreien anfängt. Das stärkt nicht gerade das Selbstvertrauen.
Nach einem Moment der Stille höre ich, wie sich Schritte nähern und hinter der Tür haltmachen. Auf Augenhöhe befindet sich ein Guckloch, und ich kann spüren, wie mich jemand dadurch mustert. Es dauert höchstens ein, zwei Sekunden, doch es kommt mir vor wie Stunden. Ich will mich schon abwenden, um wieder zu gehen, als sich die Tür öffnet und Rita lächelnd und mit ausgebreiteten Armen über die Schwelle tritt, und plötzlich lösen sich all meine Ängste in Luft auf.
Rita hat ein kurzärmeliges weißes T-Shirt und eine ausgeblichene Bluejeans an. Sie trägt weder Socken noch Make-up oder einen BH. Selbst mit meiner verminderten Sehkraft kann ich die Umrisse ihrer Nippel erkennen, die sich gegen den weißen Baumwollstoff abzeichnen.
»Hi, Andy«, sagt sie, tritt auf mich zu und nimmt mich fest in den Arm. Obwohl ihr Körper eigentlich kalt sein müsste, spüre ich, wie ihre Haut eine leichte Wärme verströmt.
Wir stehen einfach nur da und halten uns … keine Ahnung, wie lange, im Arm, jedenfalls nicht lang genug. Als sie von mir ablässt und meine Hand nimmt, merke ich, dass ich das habe, was Jerry einen Steifen nennen würde. Offensichtlich ist das auch Rita nicht entgangen.
»Komm rein«, sagt sie. Angesichts ihres Gesichtsausdrucks und der Regung in meiner Hose frage ich mich, ob ihre Worte doppeldeutig gemeint sind. Aber das spielt keine Rolle. Ich tue, was immer sie von mir verlangt.
Sie führt mich den Gang hinunter, an der Küche und am Wohnzimmer, an Bad und Schlafzimmer vorbei, zum letzten Raum am Ende des Flurs. Das Bett ist nicht gemacht, über den Boden liegen Kleidungsstücke verstreut, und ein halbleeres Glas von Rays Genialen Gaumenfreuden steht auf dem Nachttisch. Die Frisierkommode ist mit Lippenstiften in den unterschiedlichsten Farben und Schattierungen übersät.
Rita zieht die Tür hinter uns zu, schiebt mich zum Fuß des Bettes, drückt mich hinunter, schnappt sich das Einmachglas und hockt sich neben mich. Dann spießt
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