Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S G Browne
Vom Netzwerk:
Genialen Gaumenfreuden.
    Ich hocke mich auf meine Matratze, schiebe mir eine weitere Gabel Wildfleisch in den Mund und spüle es mit dem Rest des Dominus herunter, beides ein wahrer Hochgenuss. Auch wenn ich den herzhaften und moschusartigen Geschmack von Rays köstlichen Leckereien von Anfang an mochte, scheinen sie von Mal zu Mal intensiver zu schmecken. Immer würziger. Ich führe das schlicht und einfach darauf zurück, das dafür ein anderes Stück Fleisch verwendet wurde, allerdings habe ich das Gefühl, dass überhaupt alles, was ich die letzten Wochen gegessen habe, geschmacklich an Intensität gewonnen hat. Zunächst dachte ich, dass Mom es nur stärker würzt, aber für den Wein kann das als Erklärung nicht herhalten. Der Dominus ist nicht die erste Flasche Wein, die ich mir in letzter Zeit gegönnt habe, dennoch könnte ich schwören - obwohl ich es eigentlich besser wissen müsste -, dass ich ein bisschen angeheitert bin.
    Aber wahrscheinlich kommt das nur von der Aufregung durch das viele Laufen und Reden.
    Als mein Hochgefühl allmählich nachlässt, und das leere Glas Wild der leeren Flasche Dominus auf der Bettkante Gesellschaft leistet, senken sich die Stille des Hauses und die Einsamkeit des Kellers auf mich nieder wie in einer Gruft.

    Ich muss jemanden finden, der versteht, was mir das bedeutet, jemand, der zu würdigen weiß, was ich geleistet habe, jemand, der die Aufregung nachempfinden kann über meine Entdeckung, dass ich nicht mehr der verwesende, krächzende, fußkranke Zombie bin, der ich mal war. Und es gibt nur eine Person, die mir dabei einfällt.
    Ich ziehe mich so schnell an, wie ich kann, dann betrachte ich mein Spiegelbild, wie ein Teenager, der sein Gesicht nach Pickeln absucht. Vielleicht sollte ich etwas vom Make-up meiner Mutter auftragen, doch dann fällt mir ein, dass die Kellertür von oben her verschlossen ist.
    »Eiße«, sage ich.
    Bevor ich durch die Hintertür trete, schnappe ich mir eine Flasche 1982er Borgogno Reserve, wickle sie in ein Handtuch und stopfe sie in meinen Rucksack. Dann ziehe ich unter meinem Kopfkissen einen Umschlag hervor und lasse ihn in meine Gesäßtasche gleiten. Nach einem letzten Blick in den Bildschirm, um meine Nähte und meine blass-graue Gesichtsfarbe zu begutachten, bin ich zur Hintertür hinaus und laufe Richtung Schlucht.
    Es ist ein herrlicher Morgen Ende November - strahlend blauer Himmel, zarte Schleierwolken, und die Bäume um mich herum erstrahlen in ihren herbstlichen Farben, während die verwelkten Blätter am Boden von einer Windböe aufgewirbelt werden.
    Ich hatte ganz vergessen, wie es ist, die Übergänge zwischen den Jahreszeiten zu erleben, sich daran zu erfreuen, wie das Licht durch die Bäume fällt oder wie ein Blatt anmutig zu Boden gleitet. Trotz der Sonne ist die Luft so kühl, dass ein Pullover angebracht wäre. Nicht dass das Wetter einen Einfluss auf meine Kleiderwahl hätte. Da man als Zombie weder schwitzt noch friert, kann man mehr
oder weniger tragen, was man will, wann immer man will. Allerdings heißt das nicht, dass wir nicht wüssten, was man anziehen sollte .
    Das Dasein als Zombie ist ziemlich verwirrend, nicht nur aus den offensichtlichen Gründen. Anders als zu Lebzeiten bekommst du keine Sinneseindrücke mehr geliefert, trotzdem erinnerst du dich daran, was für Gefühle diese Eindrücke ausgelöst haben. Darum stützt du dich bei der Wahl der richtigen Kleidung und dem Versuch, dazuzugehören, auf diese Erinnerungen. Natürlich gehörst du nicht dazu, du wirst es nie, und das weißt du auch. Aber das hält dich nicht davon ab, es immer wieder zu versuchen.
    Ich trage einen jägergrünen Strickpullover mit Zopfmuster von Marcy’s, ein Paar Levi’s, Columbia-Wanderschuhe und eine schwarze Strickmütze von The Gap. Zum Teil entspricht die Kleidung meiner Einschätzung dessen, was ich tragen sollte. Seltsamerweise ist mir sogar ein bisschen kalt, allerdings schreibe ich das mehr meiner erlernten Wahrnehmung als tatsächlichen Sinneseindrücken zu. Vor allem jedoch habe ich diese Kleidung ausgesucht, um einen guten Eindruck zu machen.
    Während ich die Schlucht durchquere, wobei ich meinen linken Fuß wieder etwas weniger nachziehe als gestern, rezitiere ich flüsternd das Haiku, das ich für Rita geschrieben habe - gerade so laut, dass ich höre, was ich sage. Nicht alles ist verständlich, aber ich schaffe es, jedes dritte oder vierte Wort deutlich auszusprechen. Zugegeben, bei einem Haiku sind das

Weitere Kostenlose Bücher