Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
Miss Mai 2000, während die Propheten ganz offensichtlich in chronologischer Reihenfolge von den Playmates des Jahres dargestellt werden. Zugegeben, es ist nicht perfekt. Schließlich kann man nicht erwarten, zu jedem von Michelangelos Bildern im Playboy eine genaue Entsprechung zu finden. Doch wenn man hinaufschaut und die in flatternde Unterwäsche gehüllte Miss Juni 2003 erblickt, die ihre Hand nach der erwartungsvollen Miss Januar 1994 ausstreckt, besteht kein Zweifel daran, dass man die Erschaffung Adams vor sich hat.
Das Ganze hat eine große künstlerische, fast spirituelle Qualität. Nur eben in Form von Titten und Ärschen.
»Was haltet ihr davon?«, fragt Jerry.
»Unglaublich«, sagt Rita und geht durchs Zimmer, um es sich näher anzuschauen. Die beiden Wände links und rechts von Jerrys Bett stellen das Leben von Moses und Jesus dar, während das Jüngste Gericht über dem Bett das Herzstück von Jerrys Werk bildet. »Und ich dachte, du würdest dir bloß ständig einen runterholen.«
»Ja, also, das natürlich auch«, sagt Jerry.
Beth kichert und drückt Jerrys Hand.
Vielleicht inspiriert mich nur die geballte Erotik Dutzender nackter Frauen um uns herum zu diesem Gedanken, aber ich habe das Gefühl, dass Jerry heute Abend nicht selbst bei sich Hand anlegen wird. Sicher, Beth ist erst sechzehn, doch ich habe so meine Zweifel, dass man Jerry wegen Unzucht mit Minderjährigen anklagen wird.
Als Carl Mom und Dad fertig gebraten hat, kommen alle im Speisezimmer zum Essen zusammen. Insgesamt sind wir zwölf Personen - einschließlich Zack und Luke, die wir
auf meinen Vorschlag hin eingeladen haben, und Ian, Helens Gast. Rechtlich gesehen ist er immer noch ein Atmer. Und Anwalt. Was beides nützlich sein kann, falls die Nachbarn die Zombie-Patrouille rufen.
Ich hocke am einen Ende des Zimmers, eingerahmt von Rita und Carl, und betrachte die verschiedenen Speisen, die auf dem Tisch verteilt sind. Rosenkohl und Butternut-Kürbis, Kartoffelpüree, Atmersoße und überbackener Tofu auf Spinat mit Erdnusssoße für Tom. Und für alle anderen natürlich meine Eltern, in verschiedenen Varianten zubereitet und gegart.
»Andy«, sagt Helen, »möchtest du ein paar Worte sagen?«
Ich fasse mich kurz und bedanke mich bei meinen Eltern, dass sie dieses Essen möglich gemacht haben. Die Worte kommen mir fehlerfrei über die Lippen. Abgesehen von einem gelegentlichen Problem mit den weichen Konsonanten ist meine Aussprache wieder völlig normal.
Außerdem laufe ich, ohne zu humpeln.
Und mein Herz schlägt jetzt alle zwei Sekunden.
Soweit ich weiß, haben außer bei Rita und mir bei keinem der anderen die inneren Organe die Arbeit wieder aufgenommen. Aber sie sind auf dem Weg der Besserung.
Toms fremder Arm hat sich mit der Gelenkpfanne verbunden, und die Hautfetzen in seinem Gesicht wachsen allmählich wieder an.
Jerrys Schädel hat sich fast vollständig regeneriert.
Naomi kann die Zigaretten jetzt nicht mehr in ihrer Augenhöhle ausdrücken, weil die Nervenfasern wieder arbeiten.
Und Helens Austrittswunde wächst langsam zu.
Sie sagt ebenfalls ein paar Worte und erklärt, dass sie dankbar ist, zusammen mit uns an diesem Essen teilnehmen
zu können. »Ihr seid meine Familie«, sagt sie. »Ihr spendet mir Trost.«
Alle heben ihr Glas zu einem Toast. Ich bemerke, dass Leslie und Naomi sich Tränen aus den Augen wischen. Selbst Carls Augen sind feucht. Helen hat Recht. Wir sind eine Familie. Versammelt um dieses Festmahl, das an ein Thanksgiving-Essen erinnert, könnten wir fast als Atmer durchgehen.
Schließlich machen wir uns über die Speisen her.
Immer wenn Zombies in einem Hollywood-Film etwas essen, tun sie das, ohne sich zu unterhalten, man hört nur die primitiven Kau- und Schmatzgeräusche. Sicher, wir haben Gemüse und Tofu und benutzen Teller und Besteck statt Schoß und Hände, doch auch hier sagt niemand ein Wort. Das Einzige, was zu hören ist, sind die Essgeräusche. Also hat Hollywood ausnahmsweise mal Recht.
Nachdem wir zu Ende gegessen und abgespült haben, dimmen wir das Licht und fläzen uns alle mit Popcorn und geräucherten Menschenchips vor den Fernseher, um uns George A. Romeros Nacht der lebenden Toten anzuschauen. Ich sitze neben Carl und Leslie auf der Couch und schmiege mich an Rita, während Beth auf Jerrys Schoß hockt und Zack und Luke sich auf einem Stuhl aneinanderkuscheln.
Als der Film anfängt, sind alle in Partystimmung - wir lachen, machen schmutzige Bemerkungen und
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