Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
Eltern?«, fragt Helen.
Mit Ritas Hilfe erkläre ich, was passiert ist. Dann hole ich die Gefrierbeutel mit den gekochten Fleischstücken von meinen Eltern hervor, um sie mit den anderen zu teilen. Niemand lehnt mein Angebot ab. Nicht einmal Helen.
»Tja«, sagt Carl und leckt sich über die Lippen, während er ein Schulterstück von meinem Vater verschlingt. »So viel zur Zurückhaltung.«
Die nächsten Minuten ist nichts weiter zu hören als das Geräusch von Zähnen, die in Fleisch geschlagen werden, und ein genüssliches Stöhnen, für dessen Beschreibung mir die Worte fehlen.
Wer noch nie mit in einem Raum voller Zombies saß, die gerade frisch zubereitetes Menschenfleisch verspeisen, kann das wahrscheinlich nicht verstehen.
»Mmmmm-mmmmm«, sagt Naomi, während sie den Rest von einer Brust meiner Mutter genießt. »Das ist besser als Sex.«
»Sprich bitte nur für dich selbst«, sagt Rita.
Alle starren Rita und mich verwundert an, dann folgen Gelächter, Pfiffe und gutmütige Sticheleien.
»Ich verpasse der guten Stimmung ja nur ungern einen Dämpfer«, sagt Helen, »aber wenn bei Andy ein Kühlschrank voller Menschenfleisch entdeckt wird, werden wir wahrscheinlich alle der Wissenschaft vermacht.«
»Wie sollen wir also seine Eltern entsorgen?«, fragt Tom.
Keiner sagt was. Alle schauen nur einander an, starren zu Boden und schließlich zur Tafel. Bloß nicht in meine Richtung.
»Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte«, sagt Leslie, während sie die letzten Fleischfetzen vom linken Handknochen meines Vaters löst. »Ich denke, es wäre am besten, wenn wir sie essen.«
»Du meinst, wir sollten so was wie eine Grillparty veranstalten?«, sagt Jerry.
Für gegrilltes Menschenfleisch nehme man jeweils einen Esslöffel Ketchup, Worcestershire Sauce, Rotweinessig und Chilipulver, ¼Teelöffel Salz und ⅛Teelöffel Cayennepfeffer. Man vermische das Ganze mit Menschenfleischhack, forme kleine Burger und brate sie über dem offenen Feuer.
»Welchen Teil von ›unauffällig verhalten und keine Aufmerksamkeit erregen‹ hast du nicht kapiert?«, fragt Carl.
»Wir sind Zombies«, sagt Rita. »Wir erregen Aufmerksamkeit allein dadurch, dass wir existieren.«
»Existieren oder mit einem Bier und einem Menschenfleisch-Burger herumzustehen sind nicht genau dasselbe«, sagt Carl. »Nach dem Einsatz bei Ray wird die Zombie-Patrouille erst recht ein Auge auf uns haben.«
»Ich habe schon verstanden, was Helen gesagt hat«, erklärt Rita. »Aber ich glaube, je länger wir warten, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir geschnappt werden.«
Carl widerspricht ihr zwar, doch mit seinem Einwand erntet er den lautstarken Protest der Mitglieder, die für eine Grillparty sind. Selbst Helen scheint einzuräumen, dass wir die Beweise bis Sonntag beseitigen müssen, Tom hingegen ist auf Carls Seite, weil er Angst vor dem hat, was mit uns geschieht, wenn wir geschnappt werden.
Während die Diskussion in vollem Gange ist, erhebe ich mich von meinem Stuhl, trete an die Tafel und wische den Spruch fort, den Helen vorhin angeschrieben hat:
ICH BIN KEIN OPFER.
Keiner hält mich davon ab oder fragt mich, was ich da tue. Ich wusste ja selbst nicht, dass ich das tun würde. Doch dann nehme ich die Kreide und schreibe meinen eigenen Spruch hin. Ich fühle mich genau wie an jenem Tag, als ich meine Schilder gebastelt habe, bevor ich losgezogen bin, um für die Rechte der Zombies zu demonstrieren. Nur diesmal erreicht meine Botschaft das richtige Publikum.
Als ich fertig bin, ist die Diskussion verstummt. Keiner sagt mehr etwas. Alle starren bloß an die Tafel, auf die sechs Wörter, die ich hingeschrieben habe, und nicken mit dem Kopf:
WIR HABEN DAS RECHT ZU EXISTIEREN.
»Okay«, sagt Carl. »Wo soll die Gartenparty stattfinden?«
»Wie wär’s bei Andy?«, fragt Tom.
Da wir verhindern wollen, erklärt Rita, dass jemand etwas vom Tod meiner Eltern mitbekommt, ist es vielleicht keine so gute Idee, bei mir zu Hause mit ihnen als Hauptgericht eine Party abzuhalten.
»Wir können es bei mir machen«, sagt Jerry. »Meine Eltern sind die ganze Woche verreist.«
Rita schlägt vor, sich am Samstag nach Sonnenuntergang zu treffen, um zu verhindern, dass scharenweise Schaulustige
auftauchen. Helen erklärt sich bereit, das restliche Fleisch meiner Eltern zu Jerry zu transportieren. Leslie und Naomi bieten an, ein paar kleine Vorspeisen anzurichten. Carl will das Fleisch zubereiten. Und ich werde natürlich für den Wein
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