Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
zweimal am Tag einen Niesanfall kriegt und ich mit Klümpchen orangefarbenen Schleims vollgespritzt werde.
Als Jerrys Eltern aufgetaucht sind, um ihn abzuholen, hatte ich damit gerechnet, dass sie wie die meisten Atmer reagieren. Doch im Gegensatz zu meiner Mutter, die sich geweigert hätte, mich anzufassen, und meinem Vater, der mir vorgehalten hätte, wie viel Kosten und Unannehmlichkeiten mein Zustand mit sich bringt, haben Jerrys Eltern ihn mit Liebkosungen überhäuft und sich dafür entschuldigt, dass sie es nicht früher geschafft haben, vorbeizukommen.
Und ich dachte, dass jeder seine Mutter und seinen Vater verspeisen will.
Ich bin jetzt also ganz alleine, es sei denn, man zählt die dreiundneunzig Katzen und vierundzwanzig Kätzchen mit, die momentan den Zwinger mit mir teilen.
Nach Jerrys Entlassung am Morgen wurden Carl und Naomi später am Nachmittag abgeholt. Und Rita, Leslie, Beth und Tom durften gestern nach Hause gehen. Rita hat kurz reingeschaut und mir bei einem verstohlenen Kuss getrocknetes Menschenfleisch zugesteckt, doch das hat nicht viel geholfen. Ich verfalle allmählich. Meine frischen Wunden fangen an zu eitern und verfärben sich schwarz, und mein Herz schlägt jetzt weniger als fünfmal pro Minute. Bei dem bestialischen Gestank aus den Katzenklos lässt sich allerdings kaum sagen, ob mein Gewebe allmählich verwest. Außerdem haben mich ein paar der Neuankömmlinge in den Nachbarkäfigen vollgespritzt.
Und ich werde von Krämpfen geschüttelt.
Wer noch nie in einen 1,50 Meter langen, ein Meter breiten und ein Meter hohen Käfig eingesperrt war, kann das wahrscheinlich nicht verstehen.
Drahtkäfig engt ein
Muskel zuckt, Wunde eitert
Katzenpisse stinkt
Im Moment kommt mir der Weinkeller meiner Eltern wie die Penthouse-Suite im Ritz-Carlton vor. Was würde ich jetzt für eine Flasche 1999er Arietta Merlot und eine Doppelfolge Chaos City geben.
Das Positive: Laut Helen sind mehrere persönliche Gegenstände meiner Eltern kurz hinter Big Sur an Land gespült worden, so dass die Polizei sich veranlasst sieht, ihre Ermittlungen auf das Gebiet zwischen Carmel und San Simeon zu verlagern. Mit etwas Glück finden sie ihren BMW, führen ihren Tod auf einen Unfall zurück und lassen mich laufen. Mir ist schon klar, dass das so wahrscheinlich ist
wie ein guter Hollywood-Film, der auf einer schlechten Fernsehserie basiert. Aber zumindest habe ich jetzt etwas, worüber ich nachdenken kann, außer darüber, ob man mich sezieren, zerstückeln oder flambieren wird.
Ian hat in meinem Namen bei der Bezirksverwaltung eine einstweilige Verfügung beantragt, um zu verhindern, dass man mich vernichtet, bevor die polizeilichen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Verschwinden meiner Eltern abgeschlossen sind. Er meint, der Antrag hat gute Aussichten auf Erfolg. Er hat sogar den Santa Cruz Sentinel kontaktiert, damit die lokalen Medien darüber berichten. Ich weiß nicht genau, was er sich davon verspricht, einen Haufen Atmer zu verärgern, die sich sowieso nur darüber beklagen werden, dass man ihre Steuergelder für einen Untermenschen verschwendet, doch Ian glaubt offensichtlich, dass das für meinen Fall von Nutzen ist.
Ich weiß nur, dass, wenn meine Eltern nicht in den nächsten zwei Tagen hier auftauchen - was eher unwahrscheinlich ist, da sie von meinem Organismus bereits verdaut und ausgeschieden wurden -, ich ein Vollstipendium fürs Kadaver-College bekomme.
Und ich habe gehört, dass die Aufnahmeprüfung dort grausam sein soll.
KAPITEL 48
»Andy, Andy! Wie werden Sie hier behandelt?«
»Wie ist es, ein Zombie zu sein?«
»Wie kommen Sie mit dem Verschwinden Ihrer Eltern zurecht?«
Es ist Tag neun meiner Gefangenschaft, und ich beantworte die Fragen von einem halben Dutzend Reportern, die vor meinem Käfig stehen; das heißt, eigentlich handelt es sich eher um einen privaten Luxuszwinger als um einen Käfig.
Er misst dreimal drei Meter und ist zwei Meter fünfzig hoch; in meiner neuen Unterkunft habe ich ein Sofa, das sich zu einem schmalen Doppelbett ausziehen lässt, einen kleinen Kühlschrank, eine Mikrowelle, eine transportable Toilette mit blickdichtem Vorhang, einen DVD-Player und einen Neunzehn-Zoll-Flachbildschirm. Der DVD-Player und der Flachbildschirm sind Spenden eines Elektrohändlers, und die anderen Ausstattungsgegenstände kommen von lokalen Betrieben, die sich davon eine gute PR versprechen. Mein persönlicher Wärter ist ein Bursche namens Scott, der ehrenamtlich
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