Anruf aus Nizza
sie jetzt, wo der Wagen in der Sonne stand, kaum noch die Augen aufhalten. Beim Fahren war es besser, da mußte sie aufpassen.
»Bis Nizza sind es doch nur noch etwa zweihundert Kilometer«, sagte sie. »Das halte ich auch noch durch.«
Die Hängebacken des Italieners wackelten vor Bedauern.
»Vier Stunden werden Sie brauchen, Signora, mindestens. Kurven, Kurven und Kurven, sonst nichts.«
»Wieviel bin ich Ihnen schuldig?«
Sie zahlte und fuhr weiter. Es war zwölf Uhr mittags.
Ihre Gedanken arbeiteten ohne ihren Willen. Immer wieder wälzte sie die Ereignisse um und um, zerpflückte sie, knetete sie wieder zusammen, und doch war alles sinnlos. Sie fand keine Lösung, und das Ende war stets, daß sie wußte, wie sehr sie Robert liebte und daß sie ohne ihn nicht leben wollte.
Gegen vier Uhr sah sie die ersten Wegweiser nach Nizza.
Von dort aus mußte sie irgend etwas unternehmen, vielleicht würde sie wieder denken können, wenn sie erst dort war, mit Brigitte gesprochen hatte. Gab es etwa irgendwelche Papiere, amtliche Schiffspapiere, aus denen hervorgehen konnte, daß sie gar nicht auf der YPSILON gewesen war?
Sie sah die Jacht deutlich vor sich, es war Nacht und rings ums Deck der YPSILON schaukelten bunte Lampions. Das weiße Schiff wiegte sich im erfrischenden Nachtwind, der vom Meer hereinkam, hin und her, die Ankerkette scharrte in den Klüsen, und das Bartrio, von Dr. Kröger engagiert, machte gerade eine Pause. Monika trug ein weißes, schulterfreies Abendkleid.
Hände legten sich zum Tanz um ihre Taille, Hände reichten ihr eiskalte Getränke, Hände gestikulierten vor ihren Augen und Hände versuchten mehr, als ihnen erlaubt war.
Dann hatte sie genug Hände geschüttelt, genug Schmuck gesehen, genug getanzt, genug über Wertpapiere und Grundstückspreise erfahren, genug Alkohol getrunken, sie wollte einfach weg.
Als sie zum Achterdeck ging, sah sie ihn. Er war gerade aufs Schiff gekommen und schaute im gleichen Augenblick zu ihr herüber.
»Monika! Ist es die Möglichkeit, Wie kommst du hierher?«
Er riß sie in seine Arme, wirbelte sie über Deck und küßte sie, vor allen Leuten. Sie schnappte nach Luft.
»Wölfchen, mein Gott, du bist immer noch der gleiche.«
»Wo steckt dein Mann?«
»Zu Hause, er hatte mal wieder keine Zeit.«
»Dem Himmel sei Dank.« Wie seine Augen sie anstrahlten. »Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Acht Jahre? Oder neun? Du bist noch viel hübscher geworden.«
So hatte es angefangen.
Und dann der nächste Tag, in dem kleinen Espresso.
»Wirklich, Moni, ich meine es ernst. Laß doch dieses blöde Protzenschiff allein lossegeln. Bleib hier. Wir haben uns so lange nicht gesehen, schenk mir doch diese wenigen Tage. Laß uns noch einmal jung sein, wie damals.«
Sie hatte seinen Arm sanft von ihren Schultern geschoben.
»Nein, Wölfchen. Wozu sollte das führen?«
»Muß es das denn? Du bist doch glücklich verheiratet, und ich gebe dir mein großes Ehrenwert, daß ich...«
Sie hatte ihm lachend ihre Hand auf den Mund gedrückt.
»Sei still. Erstens soll man keinen fahrlässigen Meineid schwören, zweitens bin ich erwachsen und kann selber auf mich aufpassen, und drittens kann ich verantworten, was ich tue. Ich bleibe mit dir zusammen in Nizza.«
Und er hatte sein Wort gehalten, und sie hatte sich nicht ein einziges Mal wehren müssen, weil er keinen Versuch machte. Vielleicht war es gerade das gewesen, was sie dann einen Tag früher nach München, zu ihm, hatte fahren lassen?
Mein Gott, wie harmlos hatte das in Nizza angefangen, und wie würde es nun hier enden?
Als sie endlich vor dem weißen Bungalow hielt, in dem Brigitte wohnte, fand sie beinahe nicht mehr die Kraft, aus ihrem Wagen zu steigen. Zum Glück hatte Brigitte sie schon entdeckt. Sie kam ihr über den englischen Rasen entgegengelaufen.
»Kind, um Gottes willen, wie siehst du denn aus?«
Monika rannen unaufhaltsam die Tränen über die Wangen, als Brigitte sie ins Haus führte.
»Schlafen«, murmelte sie. »Ich will jetzt nur noch schlafen. War die Polizei schon da? Ich habe in München ein Mädchen... hat Wolfgang schon angerufen? Ich will schlafen... was hast du Robert gesagt?«
Monika ließ sich auf die Couch fallen und streckte sich mit geschlossenen Augen aus. Dann aber fuhr sie wieder hoch. »Gitta, du mußt meinen Wagen sofort in deine Garage fahren, und du mußt der Polizei sagen, daß er die ganze Zeit über hier steht.«
»Ja, ja, beruhige dich nur endlich.«
»Noch...
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