Anruf vom Partner
»ich weiß, daß es in der Bevölkerung gewisse Elemente gibt, die die Scum Front nicht ernst nehmen, weil die ja angeblich für gesunde Dinge wie reines Wasser kämpft und uns bisher durch Anrufe vorgewarnt hat. Aber wenn wir Ihrer Meinung nach Leute, die sagen: ›Wir hätten den Hosierdom in tausend Stücke sprengen können, aber wir haben es nicht getan‹, als Helden oder nette Jungs betrachten sollen, dann, glaube ich, werden wir beide uns in die Haare kriegen.«
»Also, Chief, Sie wissen, daß ich das so nicht gemeint habe«, sagte Charlotte Vivien. Aber ich sollte nie erfahren, was Mrs. Vivien meinte, denn genau in diesem Augenblick trat Loring mit seinen schlechten Nachrichten ein.
Er hatte natürlich seine Anweisungen, der Butler. Wahrscheinlich gibt es ein Protokoll für dergleichen, etwa in der Art: Schlechte Nachrichten grundsätzlich nur zwischen den Gängen. Möglicherweise gab es für einen gut ausgebildeten Butler da nicht die geringste Unsicherheit.
Aber was mich betraf, mein Herz hämmerte. Und nicht mal aus Liebe.
»Madam?«
»Oh«, sagte Mrs. Vivien. »Ja, Loring? Was gibt es?«
»Madam, es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, daß Mr. Ripley…«
Loring holte Luft. Er war gut. Alle beobachteten sein Gesicht und warteten darauf, daß die Luft wieder rauskam.
»Ach herrje«, sagte Mrs. Vivien. »Mr. Ripley.« Sie blickte über den Tisch auf das leere Gedeck. »Er ist nicht mitgekommen, und ich habe es nicht einmal bemerkt. Oh, was für eine schreckliche Gastgeberin ich doch bin!« Am anderen Ende der Tafel lachte der Brite zweimal auf. Es war ein albernes Lachen.
»Seien Sie still, Quentin«, sagte Mrs. Vivien. Quentin nuckelte an einer Brotstange, während die meisten von uns anderen auf den leeren Stuhl, die unberührte Consomme und das Hummerparfait starrten und uns zu erinnern versuchten, wer dort nicht saß.
Und obwohl dies eine Abendgesellschaft für zweiundzwanzig Personen war, bei der niemand jeden und der eine oder andere überhaupt niemanden kannte, war Ripley für alle ein Begriff: der lautstarke Trunkenbold, der die Rechtsanwälte mit dem Wort mit dem großen S belegt hatte, den man dem Chief vom Revers hatte ziehen müssen und der Mrs. Viviens Siamkatze einen Tritt verpaßt hatte.
»Unglücklicherweise, Madam«, fuhr Loring fort, »habe ich die eindeutig unangenehme Pflicht, Sie darüber in Kenntnis setzen zu müssen, daß Mr. Ripley gegenwärtig hinter dem Zweiersofa im Salon liegt.«
»Großer Gott«, sagte Mrs. Vivien.
Ein Murmeln machte die Runde. Ich … ich gab keinen Laut von mir, aber das liegt daran, daß ich ein harter Bursche bin und die Niederträchtigkeiten des Lebens zur Genüge kenne.
»Ich bedaure ferner, Madam«, fuhr Loring fort und betonte jedes einzelne Wort, »daß ein kleiner Dolch mit Ebenholzgriff aus Mr. Ripleys Brustkorb ragt und daß sich auf dem kleinen türkischen Läufer eine Pfütze gebildet hat, bei der es sich um Blut zu handeln scheint. Ich bedaure, Sie davon in Kenntnis setzen zu müssen, daß Mr. Ripley das Zeitliche gesegnet hat und der prima-facie-Beweis für einen Mord vorliegt.«
Die Reaktionen darauf waren mannigfaltig. Hier und da ein scharfes Einatmen, ein paar weit aufgerissene Augen und das eine oder andere nervöse Grinsen. Ich hörte »Donnerwetter« und »Menschenskind«.
Mrs. Vivien gestattete sich den Hauch eines Lächelns, aber bevor sie etwas erwidern konnte, sagte der Brite: »Nun, um es einmal frei nach Noel Coward auszudrücken, wenn ein Mörder Wilmer Ripleys Herz mit dem Messer getroffen hat, muß er erstaunlich gut gezielt haben.«
Am unteren Ende des Tisches erhob sich ein bulliger Mann, der die Art von grauem Anzug trug, die einer Jahresmiete entspräche, wenn ich denn noch Miete zahlen würde. »Ah, sehr gut, Charlotte… wirklich sehr gut«, sagte er zu Mrs. Vivien.
Das milde Säuseln dieses Beifalls ließ Mrs. Viviens Lächeln zu einem Strahlen aufflammen, und sie erhob sich. Sie sprach mit dem Butler, wandte sich aber an die Allgemeinheit. »Nun, Loring, dann werden wir wohl alle in den Salon gehen und uns die Leiche einmal ansehen müssen.«
Die Gäste sahen einander an.
Um voreiligen Aktivitäten vorzubeugen, sagte Mrs. Vivien mit lauter Stimme: »Was für ein großes Glück, daß wir rein zufällig einen echten Privatdetektiv unter uns haben. Wenn ich für einen Augenblick um Aufmerksamkeit bitten dürfte - ich möchte Ihnen allen gern Mr. Albert Samson vorstellen. Bitte erheben Sie sich, Mr.
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