Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen
uns selbst und fühlen uns innerlich zerrissen. Deshalb tun wir gut daran, das, was zu uns gehört, auch anzunehmen. Integrieren wir die guten und die schlechten Zeiten in unser Leben und gehen offen damit um, können wir unsere Energie für sinnvolle Dinge nutzen. Und ob Menschen, Zeiten oder Dinge gut oder schlecht sind, sehen wir ohnehin oft erst, wenn wir später auf sie zurückblicken.
Bei Rousseau hat der Naturmensch noch keine Vernunft und kann sich selbst nicht als Objekt erkennen. Er muss noch nicht unterscheiden zwischen Täuschung und Wahrheit, zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Gut und Böse. Für den Naturmensch bedeutet amour de soi , völlig intuitiv sich selbst erhalten zu wollen, das zu wollen, was den eigenen Bedürfnissen entspricht.
Der Philosophieprofessor Harry G. Frankfurt beschreibt, dass der Mensch keine Gründe braucht, um überleben zu wollen. Denn allein die Liebe zum Leben, vielleicht aus der natürlichen Selektion entstanden, reicht aus, um alles dafür zu tun, einfach nur zu leben. Um am Leben zu bleiben, wird auch jede Menge Leid toleriert, denn zu jedem menschlichen Leben gehören positive wie auch negative Seiten. Frankfurt schreibt in diesem Zusammenhang von einem prärationalen Drang, was so viel bedeutet wie eine angeborene Motivation ohne das Zutun unserer Vernunft. Wir brauchen unsere Vernunft nicht, um nach Gründen für unser Überleben zu suchen. Denn nur dann, wenn dieser prärationale Drang geschwächt wird, verlangen wir nach Gründen, warum das Leben geschützt werden soll. Unser eigenes Interesse an Selbsterhaltung beruht deshalb nicht auf Gründen, sondern auf Liebe: auf der amour de soi von Rousseaus Naturmenschen?
Diese grundsätzliche Lebensbejahung finden wir auch bei Friedrich Nietzsches amor fati , was so viel heißt wie »Liebe zum Schicksal«. Diese Liebe zum Leben ist bei Nietzsche so stark, dass der Mensch mit den Strukturen der Welt und des Seins vermittelt wird. Das, was kommt, müssen wir lieben, weil wir unserem Schicksal nicht ausweichen können. Wir können uns vom tragischen Wesen der Welt nicht distanzieren, aber indem wir dies erkennen und annehmen, ist das der Weg zum Glück. Amor fati als Liebe zum Verhängnis und zum Schicksal ist ein Ja-Sagen zur Welt, zu anderen Menschen und zu sich selbst.
Jean-Jacques Rousseau hat uns bisher gezeigt, dass unsere natürlichen, menschlichen Prinzipien des Mitgefühls und der Selbstliebe wichtige Komponenten für unser Glück sind. Sowohl beim Mitgefühl als auch bei der Selbstliebe geht es um die Liebe. Es ist die Liebe zu anderen Menschen, aber auch zu uns selbst, um die wir uns kümmern und sorgen sollten – und weniger um Konventionen, Besitz und das, was wir allgemein unter Kultur verstehen.
Der heutige Inselstaat Vanuatu könnte der lebende Beweis dafür sein, dass mehr Natur und weniger Kultur die Menschen glücklicher machen. Wagen wir einen Blick!
Vanuatu: Insel der Glückseligkeit
Vanuatu ist ein souveräner Inselstaat im Südpazifik. Ein Archipel aus 83 Inseln beziehungsweise Inselgruppen, das keine nennenswerten Bodenschätze, keine geteerten Straßen und auch keine Armee besitzt. Die ca. 240000 Menschen, die dort leben, arbeiten als Bauern, als Fischer oder sind in Restaurants und Hotels tätig. Sie pflegen Bräuche und Traditionen im Wasser und an Land: Im Wasser machen sie mit ihren Händen in der Gemeinschaft ihre ganz eigene Musik. An Land tanzen sie zusammen traditionelle Tänze oder erfinden den Bungee-Sprung.
Ja, in Vanuatu wurde der Bungee-Sprung erfunden. Von einem Holzgerüst stürzen sich die Insulaner von 30 Meter Höhe in die Tiefe. Sie sind dabei nicht hochtechnisch abgesichert – zwei Lianentaue an den Knöcheln müssen genügen. Es handelt sich dabei um die Naghol-Zeremonie, die mehrfach jeweils für einen Tag im April und im Mai stattfindet.
Der Naghol-Sprung ist für die Menschen nicht nur ein Kick, sondern ein Männlichkeitsritual für junge Erwachsene. Außerdem sollen die Götter gut gestimmt werden, damit es eine reiche Yam-Ernte gibt. Yam ist ein Wurzelgewächs, das hauptsächlich in Afrika, Südamerika und in der Karibik als Nahrungsmittel angebaut wird. In Europa kennen wir es höchstens in Tablettenform aus der Apotheke. Wenn die Männer von Vanuata von 30 Meter Höhe in die Tiefe stürzen und dabei ihr Kopf fast den Boden berührt, soll genau das gut sein für die Fruchtbarkeit des Bodens. Damit ist ein solcher Sprung alles andere als ungefährlich. Diese
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