Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen
Demokraten«, die nicht bereit sind, für etwas zu kämpfen. Diesen Menschen genügt ein bisschen Wohlbefinden, wenn sie dafür nur nicht ihre Komfortzone verlassen müssen. Für ein kleines Stück vom Glück sind diese Menschen bereit, alte Denkweisen und Moralvorstellungen zu akzeptieren. Nietzsche aber wollte diese alten Denkweisen, Moralvorstellungen und Werteordnungen zerstören. Denn sie sind es, die uns Menschen daran hindern, frei und damit glücklich zu sein.
Nietzsches Idealbild ist der »Übermensch«, der sich selbst bestimmt und emanzipiert genug ist, Altes und Traditionelles umzuwerfen, um Eigenes zu schaffen. Dieser Mensch ist nicht mehr das Geschöpf eines Gottes. Er entwirft und bestimmt sich selbst. Denn solange der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, ist das Leben auf Erden für ihn nur ein Mittel zum Zweck: Das irdische Leben, das Diesseits ist lediglich eine Bewährungsprobe, eine Belastung und eine Hypothek, an deren Ende Himmel oder Hölle stehen. Damit wird dem irdischen Leben sein eigentlicher Wert genommen.
Aber es ist gerade das irdische Leben, das Diesseits, das wir bejahen sollen – trotz seiner Widerstände. Es sind gerade die leidvollen Erfahrungen, die mich zu mir selbst bringen und mir meinen eigenen Weg zeigen. Der Mensch, der sich immer wieder selbst entwirft und bei dem durch sein eigenes Scheitern, seine individuelle Erfahrung, wächst: Das ist Nietzsches Übermensch. Wenn ich an dieser Stelle an mein bisheriges Leben denke, so fühle ich mich heute freier als vor 20 Jahren. Von außen betrachtet würde man wahrscheinlich gerade das Gegenteil vermuten. Denn machen »Haus, Mann und Kind« nicht eher unfrei? Dass äußere Bindungen stärker werden, heißt noch nicht, dass wir uns unfreier fühlen. Denn diese Bindungen sind selbst gewählt. Was wir nicht frei wählen können sind Gesetze, Normen, Regeln und Sitten der Kultur, in der wir leben. Durch meine bisherigen Erfahrungen habe ich jedoch gelernt, Sitten, Moralvorstellungen oder Regeln neu zu bewerten: Im Gegensatz zu Gesetzen, die ich einhalten muss, habe ich die Freiheit, mit Moralvorstellungen oder Sitten so umzugehen, wie ich es für richtig halte. Ich habe auch gelernt, dass es oft die Ansprüche an mich selbst sind, die mich unfrei machen. Beispielsweise verlangt kein Mensch von einem anderen, perfekt zu sein. Im Gegenteil: Meist erleben andere Menschen es als befreiend, wenn jemand zu seinen Schwächen steht.
Natürlich hängt die innere Freiheit von der äußeren Freiheit ab. Die äußere Freiheit besteht darin, sich frei zu machen von Vorschriften, Normen, Regeln und Sitten. Wir alle wissen jedoch, dass ein Zusammenleben in Gemeinschaften ohne gewisse Regeln und Gesetze nicht möglich ist. Die Frage, die sich uns heute stellt, ist wohl eher folgende: Wie können wir gemeinschaftlich leben und trotzdem innerlich frei sein?
Innerlich frei zu sein heißt aber auch, offen zu sein. Sowohl im Bereich der Sinne als auch im Bereich des Geistes. Sinnlich offen sein. Was hat das zu bedeuten? Stellen wir uns vor, wir haben uns in den Kopf gesetzt, auf der Karriereleiter ganz nach oben zu steigen. In unzähligen Seminaren haben wir gelernt, dass wir dazu Ideen, Visionen, Ziele und Pläne haben müssen. Gleichzeitig müssen wir unsere Pläne natürlich umsetzen. Daran kann ja jetzt noch nichts Schlechtes sein? Ist es auch nicht. Wenn wir jetzt aber nichts anderes mehr tun als unseren Visionen, Zielen und Plänen nachzuhängen, können wir uns schwer lösen von unserem Gefängnis des Denkens. Natürlich können wir beispielsweise noch Bäume, Blumen, Natur sehen, aber nicht mehr erleben. Unsere Sensitivität und Emotionalität kommen zu kurz. Schöne Dinge lösen nichts mehr in uns aus.
Mit der geistigen Offenheit verhält es sich ähnlich. Dabei spielen Intelligenz, aber auch Kreativität eine entscheidende Rolle. Bei der Intelligenz geht es darum, konkrete Aufgaben zu lösen, wissenschaftliche Fragen zu stellen und mit Forschungsmethoden zu beantworten. Bei der Kreativität geht es jetzt darum, konventionelle und traditionelle Pfade zu verlassen. Dazu bedarf es der Freiheit im Sinne von Freiwerden von traditionellen Wegen, aber auch im Sinne von Freisein, um neue Wege gehen und gestalten zu können. In der Kreativität sind wir spielerisch flexibel im Denken.
Die entscheidenden Fragen sind jetzt aber doch: Können wir so einfach frei werden von Traditionen, moralischen Vorstellungen, aber auch von unseren eigenen Denkmustern?
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