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Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen

Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen

Titel: Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Schilling-Frey
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Eincheckschalter auf. Ein Fluggast vom Ende der Schlange sprintet vor und ist der Erste, der am neu aufgemachten Schalter einchecken möchte. Wir trauen uns oft nicht, diesen Mann auf seinen Platz ganz hinten zu verweisen. Hier brauchen wir doch eigentlich nur »Nein« zu sagen, ohne dass dadurch ein Risiko für unsere Gesundheit oder gar unser Leben entsteht. Warum ist selbst das so schwer? Wahrscheinlich sind wir zu wenig in Übung. Deshalb versuchen Sie, in Situationen Ihres alltäglichen Lebens mutig zu sein. Wenn Sie beispielsweise das nächste Mal auf dem Wochenmarkt sind und sich jemand vordrängelt, trauen Sie sich, etwas zu sagen. Sorgen Sie für Gerechtigkeit. Das lässt Sie mutiger werden und stützt außerdem Ihr Selbstvertrauen.
    Wenn wir Mut hören, geht es aber nicht nur um Zivilcourage, um Mut gegenüber anderen. Denn mutig sein muss ich auch gegenüber mir selbst. Erst dann, wenn ich mir selbst vertraue, wenn ich mir zutraue, Risiken auf mich zu nehmen, kann ich sozial mutig sein. Nietzsche hat vor allem diese Art Selbstvertrauen im Blick, die mich dazu befähigt, Gefahren, Risiken und damit auch Leiden auf mich zu nehmen, um mich selbst immer wieder zu übertreffen. Nietzsche träumt vom »Stern der übenden Menschen«.
    Der Stern der übenden Menschen
    Friedrich Nietzsche war ein Anhänger der Antike. Dem Christentum hat er in seinen Schriften den Garaus gemacht, um sich in punkto Lebensform vor allem der griechischen Antike zuzuwenden. Der »modus vivendi«, die Art, wie wir unser Leben führen, ist bestimmend dafür, ob wir gut oder eben schlecht leben. Nietzsches Lebensform ist vielleicht sogar eher eine Lebensreform, da er versucht, das Wertesystem der Antike wieder aufleben zu lassen. Vielleicht können wir, in Anlehnung an Peter Sloterdijk, von einer »Neo-Antike« sprechen. Jedoch handelt es sich hierbei um keine reine Wiederholung der antiken Zeit in einer modernen oder eher postmodernen Welt, sondern es ist die Idee, dass die Antike aus eigener Kraft immer wiederkehrt. Damit wird eine Zeit nicht einfach von einer anderen Zeit abgelöst, sondern ist als eine Art dauernde Gegenwart, Tiefenzeit oder Naturzeit immer präsent. 39
    Nietzsche ist der Überzeugung, dass sich durch Lebensformen, die immer wieder eingeübt werden, so etwas wie »Kulturen« ergeben. Es gibt dabei gute Übungslebensformen, die gute Kulturen hervorbringen, aber auch schlechte Übungslebensformen, die respektive schlechte Kulturen hervorbringen. Er verwendet den Begriff der Askese, der im klassischen Griechischen einfach »Training« oder »Übung« bedeutet. Maßgeblich für gute Kulturen sind »gesunde« Menschen, die sich mit guten Askesen steigern wollen. Im Gegensatz dazu gibt es die »kranken« Menschen:
    Dies sind für Nietzsche vor allem die Priester, die unter enormer Anstrengung Dinge einüben, die das Leben auf Erden leugnen. Es ist eine Art pathologische Askese. Die »gesunden« Menschen bilden einen Planet von Übenden im aufstrebenden, lebensbejahenden Sinn. Die Einwohner dieses Sterns sind Menschen, die das Gewicht der Welt ohne Wehleidigkeit tragen. Ohne ständiges Jammern nehmen diese Menschen auch den Lastcharakters des Daseins auf sich. Es sind kreative, schöpferische Menschen, die aber ganz selbstverständlich auch nicht ohne Disziplin und Regeln auskommen. Ganz im Gegenteil: Sie selbst legen sich Reglementierungen auf, weil sie darin die Mittel sehen, um als Denker und Schöpfer in ihr persönliches Optimum zu gelangen.
    Es steht also in der Macht der Menschen, viel oder wenig aus sich zu machen. Damit sind die Menschen nicht gleich, sondern ungleich. Diese Ungleichheit ist aber nicht genetisch oder sozial bedingt, vielleicht sogar gottgewollt, sondern diese Ungleichheit liegt in den unterschiedlichen Übungen. Die »gesunden« Menschen sind bei Nietzsche die guten, authentischen, selbstbewussten Menschen, die das Leben lieben, nicht mit Neid und Missgunst auf andere schauen, sondern ihr eigenes Leben nach ihrem Willen gestalten. Auf dem Weg zu einem selbstbestimmten und damit glücklicheren Leben werden wir immer wieder auf Widerstände sowohl von außen als auch von innen stoßen. Äußere Widerstände können bedeuten, dass das, was wir tun wollen, nicht »üblich« ist, nicht sozial anerkannt ist oder dass es sich finanziell gesehen nicht lohnt. Aber wahrscheinlich sind es eher die inneren Widerstände, unsere emotionalen Bremsen, die uns hemmen. Nicht selten fahren wir mit angezogener

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